Ekart Hartmann zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik;
Was
soll denn nun eine Philosophie, und wozu bedarf es der spitzfindigen
Zurüstung derselben, wenn sie gesteht, dass sie für das Leben nichts
andres sagen, zu demselben [sich] nicht einmal als Instrument bilden kann; daß sie nur Wissenschaftslehre, keineswegs Weisheitsschule ist?
Ich
erinnere auch hier an die oft gegebene Antwort. Ihr Hauptnutzen ist
negativ und kri-tisch. Es mangelt in dem, was nun gewöhnlich für
Lebensweisheit gehalten wird, nicht daran, daß sie zu wenig, sondern
daran, daß sie zu viel enthält. Man hat eben die erräso-nierten Sätze der
oben beschriebenen erschaffenden Metaphysik hereingetragen – und diese
sollen [wieder heraus] gesondert werden. Sie hat die Bestimmung, die gemeine Erkenntnis von aller fremden Zutat zu reinigen.
Dies hat ihnen Kant zur Genüge gezeigt.
Mittelbar,
d. h. inwiefern ihre Kenntnis mit der Kenntnis des Lebens vereinigt
ist, hat sie auch einen positiven Nutzen. Für das unmittelbar praktische
pädagogische im weitesten Sinn des Worts: Sie zeigt, wie man die
Menschen bilden müsse, um moralische, echtreli-giöse, legale Gesinnungen
in ihnen hervorzubringen und nach und nach allgemein zu ma-chen. Für die
theoretische Philosophie, Erkenntnis der Sinnenwelt, Naturwissenschaft
ist sie regulativ. Sie zeigt, was man von der Natur fragen müsse.
Ihr
Einfluß auf die Gesinnung des Menschengeschlechts überhaupt ist, daß
sie ihnen Kraft, Mut und Selbstvertrauen beibringt, indem sie zeigt, daß
sie und ihr ganzes Schicksal ledig-lich von sich selbst abhängen; indem
sie den Menschen auf seine eignen Füße stellt.
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Johann Gottlieb Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen, in: Gesamtausgabe Bd. II/5, S. 122f.
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