service-wissen aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Vernunft hat sich selbst zur Voraussetzung. Wie könnte sie sich also beurteilen? Sie müsste sich im Kreise drehen, denn sie stieße überall nur wieder auf sich als Prämisse von allem.
Denn davon, wie sie wurde - nämlich wie sie wurde -, haben wir noch keine Erfahruung machen können - die Vernunft ja immer schon zu ihrer Bedingung hat. Wir können aber im Gedankenspiel so tun, als ob wir einen Gegenstand - Sache, Ding - erfahrungssmäßig ken-nen gelernt hättenen, und ihn dann im Spiel das tun lassen, was er tun müsste, um schließ-lich Vernunft als sein Produkt hervorzubringen. Das wäre experimentieren mit einem Sche-ma.
Es wird sich dann erweisen, ob der pp. Gegenstand sich in diesem
Experiment bewährt. Da könnte man freilich ewig suchen und wäre auf
den bloßen Zufall angewiesen, der selbst im Denkexperiment nichts beweist.
Die Wissenschaftslehre
fängt darum nicht bei einer beliebigen phantasmagorisch frei
einge-bildeten Prämise an, sondern bei dem unvermeidlich anzunehmenden
Grund der Vernunft, den der erste, kritisch-analytische Gang der Transzendentalphilosophie freigelegt hatte: ein freies Wollen, das sie Ich nennt. Dies war zwar aufgefunden worden; aber nicht in der Er-fahrung, sondern selbst nur spekulativ: als ein Schritt hinter das erste/letzte Erfahrbare zu-rück. Das Experimentieren mit dem Schema muss hier an die Stelle der Erfahrung treten.
Allerdings verfährt auch die positive empirische Wissenschaft im Prinzip
nicht anders. Auch ihre Versuche beginnen mit einem spekulativ
konstruierten Sachverhalt alias Hypothese, und sie fügt ihn ein in ein vorgedachtes Schema; doch eines, das sich in füheren
Erfahrun-gen schon bewährt hat. Aber damit ist auch sie nicht fertig. Ob
alles klappt, muss sie in je-dem Fall erst noch versuchen. In
der Mathematik nennt man das, wenn ich nicht irre, eine Vollständige
Induktion. Ihre Vollständigkeit macht ihren spekulativen Anteil aus, um
des-sentwegen sie - wie übrigens auch alle Erfahrung - nicht einfach
reell ist.
PS. Etymologisch wäre es korrekt, auch dieses Verfahren empirisch zu nennen. Denn gr. εμπειρια heißt lediglich 'auf e. Versuch beruhend'; von πειρα-. Auch im Denken versucht man; vielleicht öfter als im wirklichen Leben...
29. 2. 20
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