
Der Rechtsbegriff ist
der Begriff eines Verhältnisses zwischen Vernunftwesen. Er findet daher
nur unter der Bedingung statt, dass solche Wesen in Beziehung auf
einander gedacht werden. Es ist nichtig, von einem Rechte auf die Natur,
auf Grund und Boden, auf die Tiere u.s.f. bloß als solche, und nur die
Beziehung zwischen ihnen und den Menschen gedacht, zu reden. Die
Vernunft hat über diese nur Gewalt, keineswegs ein Recht, denn es
entsteht in dieser Beziehung gar nicht die Frage nach dem Rechte.
Ein anderes ist, dass
man sich etwa ein Gewissen machen kann, dieses oder jenes zu genie-ßen.
Aber dies ist eine Frage vor dem Richterstuhl der Moral und wird nicht
aus Bedenk-lichkeit, dass die Dinge, sondern dass unser eigener
Seelenzustand dadurch verletzt werden möge, erhoben. Wir gehen nicht mit
den Dingen, sondern mit uns selbst zu Rate und ins Gericht.
Nur wenn mit mir zugleich ein anderer auf dieselbe Sache bezogen wird, entsteht die Frage vom Rechte auf die Sache als eine abgekürzte Rede, statt der, wie sie eigentlich heißen sollte, vom Rechte auf den anderen, ihn vom Gebrauche dieser Sache auszuschließen.
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J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 54
Nota. -
Der Absatz hat zuerst einen praktisch-politischen Sinn: Er zielt gegen
das Grundei-gentum, d. h. gegen dessen historisch-rechtliche Herleitung.
Eigentum beruht nach Fichte ursprünglich nicht auf Arbeit - Formation -,
sondern auf Besitzergreifung: Okkupation (dies gegen Rousseau). Eigentum ist ein Gewaltverhältnis, das womöglich durch dies oder das, aber nicht durch die Vernunft zu rechtfertigen ist.
Philosophisch
aktuell ist aber wieder die Unterscheidung von Recht und Moral. Dass
die Erhaltung unserer natürlichen Umwelt so vielen Menschen inzwischen
am Herzen liegt, ist selber die Folge einer Zivilisation, die - zwar
erst in den Anfängen, aber fortschreitend - von Vernunft geprägt ist.
Aber es ist eine Sache moralisch handelnder Individuen. Rechtlich und
gemeinschaftlich bindend ist dagegen die Verpflichtung der einen gegen
die andern, die Na-turbedingungen, unter denen sich die Gattung H.
sapiens ausgebildet hat, so zu erhalten, dass sich H. sapiens weiter
ausbilden kann.
Man
muss nicht glauben, man stärke das rechtliche Empfinden, indem man ihm
moralische Motive beimengt, oder das moralische Gewissen, indem man ihm
rechtliche Befugnisse an-heftet. Das Gegenteil ist der Fall, beide zu
vermischen schwächt ihre jeweilige Geltung und schädigt beide. Je
entschiedener im öffentlichen Raum - dort, wo die vernünftigen Wesen
einander begegnen - Recht herrscht, umso freier - freier von außermoralischen Motiven -
ist das moralische Urteil der Einzelnen. Das Recht muss, um gelten zu
können, notfalls vom Gemeinwesen gewaltsam erzwungen werden; für die
Moral wäre ein solcher Versuch töd-lich.
JE, 2. 3. 19
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