Donnerstag, 27. März 2025

Meiner werde ich mir ganz bewusst, der Welt aber nicht.

planetarium-hamburg;       aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Durch dieses reine Denken wird das NichtIch Substanz, aber anders, als es oben das Ich wurde. Da wurde nur die Begrenztheit herbeigeführt, das Materielle war schon, und dies wurde durch das materielle Denken begrenzt, das schon vorhandene Mannigfaltige. Aber hier ist schon die Begrenztheit, und es wird nur das durch sich selbst Bestehende herbei-geführt.

In der Deduktion hebt das Bewusstsein von mir selbst an als dem
[sic] Bewusstsein eines Unendlichen, und nur dadurch, dass / ich die Unendlichkeit nicht fassen kann, dadurch, dass sich mit der unendlichen Anschauung die Endlichkeit des empirischen Denkens ver-knüpft, werde ich mir zum Endlichen. 

Umgekehrt, das Bewusstsein der Welt geht ja nicht aus von der Unendlichkeit, sondern von der Endlichkeit. Meiner werde ich mir ganz bewusst, der Welt aber nicht als einer ganzen Welt, sondern einzelner Objekte. Ich fasse meine Begrenztheit auf, das die Absolutheit in sich Tragende kommt erst durch die Idee hinein.  

Der Mensch des gemeinen Bewusstseins wohl findet sich ganz, die Welt aber nicht ganz, der Begriff des Universums wird erst allmählich zusammengesetzt. Das Ich als Substanz kommt dadurch zu Stande, dass das ideale Denken begrenzt wird, und das Wesen des Ich besteht daher bloß in Tätigkeit, das NichtIch aber dadurch, dass das reelle Denken vergei-stert wird, dann ist es Sein, dessen Wesen nur in Ruhe besteht.
_______________________________________________________________________J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 222f. 


Nota I. - In der Deduktion, d. h. dem 'zweiten Gang' der Wissenschaftslehre, komme ich zunächst als ein Unendliches vor; nämlich dem Philosophen. Der Mensch des gemeinen Bewusstseins - also auch der Philosoph, sofern er nicht auf dem Katheder steht - dagegen findet sich vor als ein Ganzes, nämlich ein Begrenztes. Das Ich als Substanz, als das die Absolutheit in sich Tragende, kommt erst durch die Idee hinein. - Ist es so gemeint, oder bin ich zum banal?

23. 4. 17

Nota II. - Nein, nicht zu banal, sondern unaufmerksam: 'Der Mensch überhaupt', nämlich der des gemeinen Bewusstseins, kommt sich anfangs als ein Unbegrenztes vor. 'Das aber kann er nicht fassen': Wieso will, wieso muss er es fassen?  - Da hat er ja Recht: 'die Welt' kommt einem nicht als ein unendliches Ganzes vor, denn das wäre völlig unanschaulich, sondern als ein (zwar) unendlicher Raum voller mannigfaltiger, aber endlicher Objekte. Die verschaffen ihm das Gefühl seiner Begrenztheit, hab ich Recht?
JE, 21. 1. 22

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Fichte radikalisiert Kant.

  arbeitsbedarf         zu Wissenschaftslehre - die fast voll... Kants Hauptwerk sind die Drei Kritiken. Darin analysiert ("kritisi...