
Durch dieses reine
Denken wird das NichtIch Substanz, aber anders, als es oben das Ich
wurde. Da wurde nur die Begrenztheit herbeigeführt, das Materielle war
schon, und dies wurde durch das materielle Denken begrenzt, das schon
vorhandene Mannigfaltige. Aber hier ist schon die Begrenztheit, und es
wird nur das durch sich selbst Bestehende herbei-geführt.
In der Deduktion hebt das Bewusstsein von mir selbst an als dem [sic] Bewusstsein eines Unendlichen, und nur dadurch, dass /
ich die Unendlichkeit nicht fassen kann, dadurch, dass sich mit der
unendlichen Anschauung die Endlichkeit des empirischen Denkens
ver-knüpft, werde ich mir zum Endlichen.
Umgekehrt, das
Bewusstsein der Welt geht ja nicht aus von der Unendlichkeit, sondern
von der Endlichkeit. Meiner werde ich mir ganz bewusst, der Welt aber
nicht als einer ganzen Welt, sondern einzelner Objekte. Ich fasse meine
Begrenztheit auf, das die Absolutheit in sich Tragende kommt erst durch
die Idee hinein.
Der Mensch des gemeinen
Bewusstseins wohl findet sich ganz, die Welt aber nicht ganz, der
Begriff des Universums wird erst allmählich zusammengesetzt. Das Ich
als Substanz kommt dadurch zu Stande, dass das ideale Denken begrenzt
wird, und das Wesen des Ich besteht daher bloß in Tätigkeit, das
NichtIch aber dadurch, dass das reelle Denken vergei-stert wird, dann ist
es Sein, dessen Wesen nur in Ruhe besteht.
_______________________________________________________________________J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 222f.
Nota I. - In der Deduktion, d. h. dem 'zweiten Gang'
der Wissenschaftslehre, komme ich zunächst als ein Unendliches vor;
nämlich dem Philosophen. Der Mensch des gemeinen Bewusstseins - also
auch der Philosoph, sofern er nicht auf dem Katheder steht - dagegen
findet sich vor als ein Ganzes, nämlich ein Begrenztes. Das Ich als
Substanz, als das die Absolutheit in sich Tragende, kommt erst durch die Idee hinein. - Ist es so gemeint, oder bin ich zum banal?
23. 4. 17
Nota II. -
Nein, nicht zu banal, sondern unaufmerksam: 'Der Mensch überhaupt',
nämlich der des gemeinen Bewusstseins, kommt sich anfangs als ein
Unbegrenztes vor. 'Das aber kann er nicht fassen': Wieso will, wieso
muss er es fassen? - Da hat er ja Recht: 'die Welt' kommt einem nicht als ein unendliches Ganzes vor, denn das wäre völlig unanschaulich, sondern als ein (zwar) unendlicher Raum voller mannigfaltiger, aber endlicher Objekte. Die verschaffen ihm das Gefühl seiner Begrenztheit, hab ich Recht?
JE, 21. 1. 22
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