Montag, 3. März 2025

Charakter der Vernünftigkeit ist Konsequenz.

                              aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Durch jeden meiner Begriffe wird der folgende in meinem Bewusstsein bestimmt. Durch den [hier] gegebenen Begriff ist eine Gemeinschaft bestimmt, und die weiteren Folgerungen hängen nicht bloß von mir, sondern auch von dem ab, der mit mir dadurch in Gemein-schaft getreten ist. Nun ist der Begriff notwendig, und diese Notwendigkeit nötigt uns bei-de, über ihn und seine notwendigen Folgen zu halten [sic]: Wir sind beide durch unsere Exi-stenz aneinander gebunden und einander verbunden.

Es muss ein uns gemeinschaftliches und von uns gemeinschaftlich notwendig anzuerken-nendes Gesetz geben, nach welchem wir gegenseitig über die Folgerungen halten; und die-ses Gesetz muss in demselben Charakter liegen, nach welchem wir eben jene Gemeinschaft eingegangen
[sind]: dies aber ist der Charakter der Vernünftigkeit, und ihr Gesetz über die Folgerungen heißt Einstimmigkeit mit sich selbst oder Konsequenz, und wird wissenschaft-lich aufgestellt in der gemeinen Logik.

Die ganze beschriebene Vereinigung der Begriffe war nur möglich in und durch Handlun-gen. Die fortgesetzte Konsequenz ist daher auch nur in Handlungen: kann gefordert wer-den und wird nur gefordert in Handlungen. Die Handlungen gelten hier statt der Begriffe, und von Begriffen an sich, ohne Handlungen, ist nicht die Rede, weil von ihnen nicht die Rede sein kann.
_______________________________________________________________________J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 48


Nota. - Die so begründete Gemeinschaft ist ein Vertrag.* Aus ihm kann man nur ganz oder gar nicht austreten. Wer nachträglich einzelne Artikel desselben leugnet und ipso facto die Konsequenz aufkündigt, gibt die 'Einstimmigkeit mit sich selbst' auf und ist nicht länger der Kontrahent, mit dem der Vertrag geschlossen worden war.

So wie ihm zuzumuten ist, sich an die getroffene Wechselbestimmung zu 'halten', ist ihm auch zuzumuten, sich an alle folgerichtig daraus ergebenden Schlüsse zu halten. 

Die formale Kodifizierung der vorausgesetzten und der noch zu ziehenden Schlüsse ist die Logik. Und sie ist nichts als das. Sie ist notwendig nur unter einer (beständigen) Vorausset-zung: der wechselseitigen Anerkennung in der Reihe vernünftiger Wesen.
17. 2. 19

 

*Nota II. - Eine durch Vertrag begründete Gemeinschaft ist eine Gesell schaft. Das moder-ne auf Vernunft sich berufende politische Denken versteht das bürgerliche Gemeinwesen so, als ob es eine durch gegenseitigen Vertrag gestiftete Körperschaft sei, in der alle Anteil-haber gegen einander gleich verpflichtet sind. 

Das ist keine historische Gegebenheit, sondern ein Postulat, das dadurch Wirklichkeit wird, dass es im Alltag rechtlich als schon geltend zu unterstellen ist. Es ist Fiktion, deren Realität durch Praxis allezeit erneuert werden muss. Es ist ein Maßstab und ist mehr als Recht: Das ist Politik

Von der Politik darf ein Jeder verlangen, dass sie rechtens und dasss sie vernünftig ist, denn darüber können gültige Urteile gefällt werden. Nicht so über Moral, Glauben und Schön-heit. Um die wird immer gekämpft werden müssen, da können Recht und Vernunft lediglich die Regeln vorgeben, aber nicht selber entscheiden.
JE



Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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