Samstag, 8. März 2025

Bürgerliche Dieselbigkeit.

dreamstime             aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Ich muss auf jene geschehene Anerkennung in jedem Verhältnisse, in das ich mit dem Individuum C komme, mich berufen und ihn nach derselben beurteilen.

1) Es ist vorausgesetzt, ich komme mit ihm, einem und demselben C, in mehrere Verhält-nisse, Berührungspunkte, Fälle des gegenseitigen Behandelns. Ich muss daher die gegebe-nen Wirkungen auf ihn beziehen [und] an die schon als die seinigen beurteilten anknüpfen können.


2) Aber er ist, so wie er gesetzt ist, gesetzt als bestimmtes Sinnenwesen und Vernunftwesen zugleich; beide Merk/male sind in ihm synthetisch vereinigt. Das erste zufolge der sinnli-chen Prädikate seiner Einwirkung auf mich; das letztere lediglich zufolge der geschehenen Anerkennung meiner. Erst in der Vereinigung beider Prädikate ist er durch mich überhaupt gesetzt [und] mir erst ein Objekt der Erkenntnis geworden. Ich kann demnach auf ihn ledig-lich isofern eine Handlung beziehen, inwiefern sie teils mit den sinnlichen Prädikaten der vorhergehenden, teils mit der durch ihn geschehenen Anerkennung meiner zusammen-hängt und durch sie bestimmt ist.
_______________________________________________________________________J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 48f. 


Nota. - Das Thema ist die Identität des andern als Individuum. Wir befinden uns offenbar schon in einer bürgerlich verfassten Gesellschaft, das Individuum C ist nicht 'für mich' als Vertreter eines Standes, einer Zunft, einer organischen Gemeinde, sondern es ist für mich nur als Subjekt einer Reihe von Handlungen. Und zwar einer zufälligen Reihe: Der Charak-ter der bürgerlichen Gesellschaft ist Öffentlichkeit, dort kann jederzeit und bei jeder Gele-genheit ein Anderer an mich herantreten, dem ich nie zuvor begegnet bin und vielleicht nie wieder begegnen werde - doch vielleicht auch fortan alle Tage. Alles kann immer anders sein, doch er bliebe immer auch derselbe. Seine Dieselbigkeit ist nicht gesetzt durch dasje-nige (Gegebene), dem ich ihn zurechnen muss, sondern dasjenige (Getane), das ich ihm zurechne.
JE, 18. 2. 19

 

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