Samstag, 18. Januar 2025

Das Ich ist kein Spiegel, sondern ein Auge.

 BartSadowski                aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 

Das Ich der bisherigen Philosophen ist ein Spiegel, nun aber sieht der Spiegel nichts, darum wird bei ihnen das Anschauen, das Sehen nicht erklärt, es wird bei ihnen nur der Begriff des Abspiegelns gesetzt. Dieser Fehler kann nur gehoben werden durch den richtigen Begriff vom Ich. Das Ich der Wissenschaftslehre ist kein Spiegel, es ist ein Auge.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 54   


Nota I. - Der Spiegel gibt nur das Bild wieder, das in ihn fällt. Wer hat ihn wie aufgestellt? Äußerstenfalls der Zufall. Das Auge sieht nicht einfach, was in seinem Gesichtskreis vor-kommt. Es muss seinen Gesichtskreis selbst bestimmen. Ein Blick ist schlechterdings ge-richtet. Und das Auge nimmt eher wahr, was es erwartet, als was es gar nicht kennt. Oder im Gegenteil das, was noch niemals dagewesen ist! Das Auge bildet nicht einfach ab, son-dern bildet.
23. 8. 18

Nota II. - Doch bloß ein Auge ist das Ich auch nicht, sondern - wie man so sagt - eine In-telligenz, die, wie das Wort andeutet, 'in das Bild hinein' sieht, genauer: die etwas (Akk.) in das Bild hinein sieht. 

Der Star sieht eine Kirsche, das ist das Bild, das ihm ins Auge fällt. Hinzu fügt seine Intel-ligenz: picken!  Das hat ihm die Evolution seiner Gattung so angestammt. Uns Menschen hat die Evolution unserer Gattung die Fähigkeit angestammt, aus dem Bild der Kirsche et-was zu machen; eine Kirschtorte zum Beispiel oder einen Likör - aber wir könnten sie auch lediglich verzehren und den Kern dabei ausspucken. Denn das Bild der Kirsche können wir auf einer Folie festhalten und mit andern Bildern vergleichen, die wir vorher schon gespei-chert hatten - und mit dem, was wir vorher schon 'aus ihnen gemacht' haben: Das nennt man Reflexion, und ihr Ergebnis ist eine Bedeutung

Das setzt nicht bloß voraus die Fähigkeit, Bilder zu speichern, sondern schon die Absicht, in eine Welt zu blicken, um Bilder zu speichern, aus denen wir was machen wollen. Und streng genommen wird dadurch der unendliche Raum, aus dem wir mannigfache Bilder erwarten, erst zu einer Welt - zu einer Welt und zu einer Welt.
JE 16. 1. 25

 

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