Rainer Sturm, pixelio.de zu
Ästhetische Wahrnehmung unterscheidet
sich phänomenal von andern Arten des Wahr-nehmens dadurch, daß hier das
Zur-Kenntnis-Nehmen von Sinnesdaten uno actu zusam-menfällt mit
deren Bewertung; während beim ‚verständigen’ Wahrnehmen die Sinnesdaten zunächst
in Hinblick auf Begriffe (=vorgegebene Bedeutungskomplexe) geordnet, und erst
danach einem Urteil unterzogen werden. Das ästhetische Wahrnehmen erscheint
insofern als primitiv, mindestens naiv, gegenüber dem sachlichen Verstehen von ‚Etwas’. Aber das ist eine optische Täuschung. Für den Verstand (cognitio) liegt die ‚Wertigkeit’ in der relatio des jeweils Wahrgenommenen mit anderen, früher Wahrgenommenen; und muß also, qua Reflexion, erst erdacht werden: nachträglich. Fürs ästhetische Wahrnehmen liegt der ‚Wert’ dagegen in der qualitas des Wahrgenommenen - und die "zeigt sich" als solche. (Wenn Max Scheler sagt, "Wertnehmung geht der Wahrnehmung voran", dann heißt das nur, daß sich die ästhetische Wahrnehmungsweise apriori "immer schon" ins verständige Wahrnehmen eingeschlichen hat - welches aposteriori kommt und allenfalls versuchen kann, erstere kritisch zu exorzisieren.) Insofern ist ästhetisches Wahrnehmen nicht ‚primitiv’, sondern ‚fundierend’; wenn auch nicht in jeglicher Hinsicht brauchbar.
20. 3. 20
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