Samstag, 21. Juni 2025

Wenn - dann, weil - darum: Der feste Standpunkt der Vernunft.

Guercino, Atlas                                                                                         aus Philosophierungen

Er schreibt - philosophisch, wie er sagt - über Determinismus und Zufall, ohne dass das Wort Kausalität auch nur einmal fällt. Vermutlich geht er in den folgenden Abschnitten seines Buches darauf ein, doch für heute muss ich Sie mit meinen eigenen Worten beschei-den:

Dass alles, was auf der Welt geschieht, eine hinreichende Ursache hat, ist mir so selbstver-ständlich wie Ihnen. Doch das war es den Menschen, die vor uns lebten, nicht immer, und in manchen Teilen der Erde ist es das noch heute nicht. Es ist aber das, was uns im Alltags-gebrauch die Vernünftigkeit unseres gesellschaftlichen Verkehrs verbürgt.

Die frühen Vertreten der Familie Homo und noch heute manche Gruppen der Familie H. sapiens halten dagegen die Dinge, die ihnen in der Welt begegnen, für so beseelt, wie sie es selber sind, und das heißt: mit einem eigenen Willen begabt, was für sie aber nichts anderes bedeutet als: dass sie unberechenbar sind. Doch besänftigen und bei guter Laune halten kann man sie vielleicht; man muss es jedenfalls versuchen, etwas anderes kommt noch nicht in Betracht. 

Das ist die mentale Welt des Animismus, die seit dem triumphalen Aufstieg der Vernunft im 17. Jahrhundert untergegangen ist, jedenfalls in den westlichen Gesellschaften. Und warum?

Bis in die Neuzeit hinein ist das Leben bestimmt von der Landwirtschaft. Und die hängt allerdings ab von Zufällen aller Art. Nein, objektiv betrachtet sind Wetter und Klima natür-lich jederzeit determiniert durch ihre Ausgangsbedingungen. Die können aber selbst heutige Wissenschaftler nicht mit letzter Genauigkeit ausmachen, und schon gar nicht der mittelal-terliche Bauer, der bang nach jedem scheinbaren Anhaltspunkt schaut und allerlei Aberglau-ben erliegt.

Die Realität der westlichen Menschen ist aber der gesellschaftliche Verkehr miteinander. Den gilt es weniger kausal zu begreifen als willentlich zu lenken und bestimmen. Nicht 'die Natur' herrscht, sondern die willensbegabten Menschen. Und die wissen: Wenn ich jenes will, muss ich dieses tun. Und das ist die erfahrungsmäßige Grundform des Kausalitätsprin-zips. Bevor man theoretisch darüber reflektieren konnte, hatte es längst praktische Gewalt über die Menschen errungen.

Und nun können wir sagen: Bei aller pragmatischer Berechtigung ist die Vorstellung von der Kausalität nicht so vernünftig, wie sie glaubt. Und als Kant sie im Gefolge von David Hume auf ihre Berechtigung prüfte, merkte es schnell: Die Vernunft selber ist auch nicht selbstverständlicher! Sie beruht vielmehr auf Voraussetzungen, die erst durch gründliche Reflexion bloßzulegen sind.

Kant nennt diese Voraussetzungen das Apriori und lässt es dabei bewenden. Wann und wie wir es uns zugezogen haben, hat er nicht mehr untersucht. Die radikale Fortsetzung der Kritischen Philosophie durch J. G. Fichte zeigt auf, dass nicht erst die Verwendung des Apriori durch die Menschen behufs ihrer Erfahrungen von ihnen selbstgemacht ist, son-dern - das Apriori selbst.

Determinismus, Kausalität, Notwendigkeit, Möglichkeit, Zufall, Gesetz - das sind keine re-alen Sachverhalte, sondern Vorstellungen, die zweckmäßig sind, sofern man gewisse Zwek-ke verfolgt. Ihre Verwendung im Denken ist je zu rechtfertigen durch die Rechtfertigung der verfolgten Zwecke.

Kommentar zu Quantensinn und Quantenunsinn JE28. 6. 20

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