Dienstag, 10. Juni 2025

Die praktische Tätigkeit des Subjekts ist objektiv.

                                    zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkriti

Dies ist nun, worin alles Bewusstsein enthalten ist
[,] und woraus es deduziert wird, ist aufge-zeigt: das Subjektive, das sich selbst Setzende, und das Objektive, die praktische Tätigkeit, und das eigentlich Objektive, das NichtIch. 

_______________________________________________________________________J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 63



Nota I. - Dass das 'eigentlich Objektive' das NichtIch sei, versteht sich; dass aber auch die praktische Tätigkeit, nämlich keine andere als die des Ich, nicht zum Reich des Subjektiven, sondern, weil sie ja doch immer auf ein Nichtich geht, dem Reich des Objektiven zugerech-net wird, ist bemerkenswert genug, um hier hervorgehoben zu werden.

Es ist in der Wissenschaftslehre ja nicht die Rede von der Wirklichkeit selbst, sondern da-von, wie sie im Bewusstsein vorkommt. Denn dass realiter die Tätigkeit und nicht das 'Sein', schon gar nicht das Sein eines 'Ichs', das einzig Objektive ist – versteht sich wiederum von selbst.
3. 12. 15

Nota II. - Fichte hatte seine kantianischen Zeitgenossen mit der Frage verwirrt, ob etwas apriori sein können, das nicht zuvor aposteriori war, und umgekehrt. Die stellten sich arglos vor, es gäbe in der Welt ein Reich des Apriori und eines des Aposteriori, und was zu dem einen gehört, gehöre nicht zu dem andern.

Und ebenso meint der Dogmatiker, auch wenn er sich einen Kantianer nennt, es gebe ein Reich der Objektiven und eines des Subjektiven, und was zu dem einen... usw.

Fichte entgegnet, es käme ganz darauf an, von welche Seite her man auf die Frage gestoßen ist. Wer vom Großen Ganzen - dem vollendeten System - 'top down' hinabsteigt, dem be-gegnet das Apriori allerdings vor dem mannigfaltigen Aposteriori. Wer aber beim Mannig-faltigem 'bottom up' angefangen hat, der findet das Apriori, das Große Ganze, erst nach dem Aposteriori.

Wer transzendentalphilosophisch, nämlich vom Gesichtspunkt des sich-selbst-setzenden Ich in die Welt eintritt, dem scheint das Subjektive als das Primäre, das Objektive als das Hinzutretende. Wer sich - der Reflexion ist das so möglich wie erlaubt - auf den Standpunkt des unbeteiligten Dritten stellt und auf das Ich in der Welt schaut, dem erscheinen sie beide als objektiv; nur eben der eine als tätig, die andere als leidend. Das Tätige mag er, so objek-tiv es ihm erscheint, als das Subjektive in dieser Konstellation auffassen und die toten, un-beweglichen Dinge als das Objektive. Dann allerdings erscheint ihm die Tätigkeit des Ich als 'ein klein bisschen objektiver' als jenes - denn er betrachtet sie als eine Synthesis: als eine Ver-einigung zweier ursprünglich Getrennter. 

Vom 'apriorischen' Standpunkt des Gesamtsystems erscheint aber das lebendige Tun als das Ursprüngliche und eigentlich Wirkliche, während die Scheidung in Subjekt und Objekt eine nachträgliche Zutat der Reflexion ist. Es sind nicht die Ingredienzen, die 'ihre Stellung wech-seln' oder gar die Begriffe, die ineinander "umschlagen". Es ist lediglich die Intelligenz, die mal von dieser, mal von jener Seite aus auf ihren Gegenstand zugeht. Was auf den ersten Blick und unsortiert Schwindel erregen mag, erweist sich aus der Nähe und im Detail als recht prosaisch. 

Und, das muss man zugeben, in der Darstellung sogar als pedantisch. In der sinnlichen Wirklichkeit, in der wir nun einmal leben, begegnet uns unmittebar immer nur Mannigfal-tiges, und da muss jedes Stück für Stück inventarisiert und unter Begriffe sortiert werden. Das ist kleinteilig und wenig unterhaltend. Es ist auf die Dauer aber sicherer, als über die Einzelnen hinwegzugleiten wie auf einer Bananenschale.

JE, 13. 12. 21

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
JE

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Der Begriff des Seins ist kein ursprünglicher, sondern ist von der Tätigkeit abgeleitet.

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