Montag, 2. Juni 2025

Transzendentale Miszellen.

                             zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Bürgerliche Gesellschaft heißt Markt, allgemeiner Verkehr, allgemeine Vermittlung. Heißt Arbeitsteilung, Austausch, Kooperation. Kooperation beruht darauf, dass ich die Hand-lungen  des Andern vorhersehen kann, mich darauf verlassen kann, dass er so und nicht anders reagiert. Bürgerliche Gesellschaft heißt Regelhaftigkeit. Wenn Kooperation gelingen soll, muss das Marktgeschehen berechenbar sein.

Dass die bürgerliche Gesellschaft den Kritikern im Gegenteil als ein Reich von Chaos und Willkür erscheint, liegt gerade daran, dass sie sie berechnen wollen. Als regelhaft und ge-setzlich erscheint sie immer, wenn sie funktioniert. Das tut sie, als Spiel von Angebot und Nachfrage, aber nur in der Regel; und nicht, wenn diese aussetzt.

Schein&Sein  

Der sinnliche Schein des Erscheinenden, der trügerische, ist ein zufälliger Schein - insofern, als er mir oder einem andern bei anderer Gelegenheit anders erscheint. So ein anderer ist auch der Schein, den das Erscheinende dem experimentierenden Wissenschaftler im Labor zeigt: Es kann auch anders sein, je nach Versuchsanordnung. "Sein" ist dagegen der Name für einen - hypothetischen - notwendigen Schein: das, was erschiene, wenn ich alle zufälli-gen Bedingungen beiseiteließeDas, was unter allen Umständen übrigbliebe.  

Alle Zufälle kann ich freilich nur hinweg denken. Zuerst also: Das Nicht-Bedingte, das nicht Zufällige, das schlechterdings Notwendige, lässt sich eo ipso nur denken. Wenn ich alle be-sonderen Bestimmungen hinwegdenke, bleibt ein schlechterdings Unbestimmtes zurück - das ich eo ipso nicht denken kann. Das Unbedingte ist, je nach Ansicht (die wiederum ein Zufall wäre!) einerseits das Ding-an-sich, "Dingheit", quidditas. Andererseits "Bedeutung", "Sinn" an-sich, qualitas. Beides, sofern ich Etwas als von mir unterschieden "wahrnehme". Ich werde 'Ich' aber erst, wenn und weil ich im Urteil beide unterscheide und auf einander beziehe.

*

Wenn es nur Bedingtes gibt, dann gibt es keine Bedingung , und also kein Bedingtes. Und also Nichts.*

*) Es ist die Rede von Bedeutungen, von Gelten; nicht von den "Dingen": Die mögen "rein zufällig" sein, und ergo nicht 'bedingt'. Aber merkwürdig: Das würden die meisten Anhänger von 'alles ist bedingt' gerade nicht 'gelten' lassen! Der 'Grund' der Geltung ist keine "Ursache", sondern "nur" [eine Absicht, für die etwas gilt].
Aus e. Notizheft, 14. 10. 03 

 

Nachtrag. Ich habe immer wieder mal versucht, aus meinem Eignen einen Zugang zur transzendentalen - alias 'kritischen' - Denkart zu finden. Angezeigt schien mir immer (früh) ein streng phänomenales Vorgehen. Was die Begriffe mir zu leisten vermögen, würde ich kaum herausfinden, wenn ich sie von Anfang an so verwendete, wie sie es gerne hätten. Denn dass sie dies 'gerne haben' und jenes nicht, bedeutet nur, dass sie selber ja nicht vom Himmel gefallen sein können, sondern von jemandem - bzw. von Jemanden - gefasst wor-den sein müssen. Und die können es schwerlich ohne eine Absicht getan haben; und die ihrerseits wird man durchschlagen spüren, wenn man es nur spüren will. Und wird sie ab-streifen müssen, um zum Kern zu kommen.

Die kritisch-richtige Methode ist daher die phänomenale. Wir reden vom Denken, Vorstel-len und Urteilen? Nehmen wir es eben so, wie wir es vorfinden. Kant hat es genommen als die Vernunft, wie er sie zu seiner Zeit tatsächlich vorgefunden  hatte. Da war einerseits die Newton'sche Physik und andererseits das rationalistische System von Wolff und Baumgar-ten, dessen Anhänger er selbst gewesen war. Dazwischen lagen störend der englische Sensu-alimus und David Humes Kritik an der Kausalität. Das war, was dem vernünftig Denken-den phänomenal gegeben war.

Seine Frage hieß, was kann die Definition von Begriffen leisten und was nicht? Er hat sie verklausuliert in der Formel Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? So umschrieben steckt darin nicht nur der Satz Wieviel Welt steckt in den Begriffen?, sondern zugleich: Wie tief steckt der Begreifende in seiner Welt?

Es hat mich früh bedünkt: Ohne Marx gehts nicht. Aber mit Marx gehts nur ohne Hegel. Womit dann? Mit der Kritischen alias TranszendentalPhilosophie. Und nicht mit der Kant-schen Frühform, sondern mit der fast vollendeten Fichte'schen Fassung - wenn man sie nur zu vollenden wagt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Der Begriff des Seins ist kein ursprünglicher, sondern ist von der Tätigkeit abgeleitet.

                                 aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik                                               ...