zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
"Durch unseren Begriff einer übersinnlichen Welt sonach müßte jener Glaube begründet werden.
Es
gibt einen solchen Begriff. Ich finde mich frei von allem Einflusse der
Sinnenwelt, ab-solut tätig in mir selbst, und durch mich selbst; sonach,
als eine über alles Sinnliche erhabe-ne Macht. Diese Freiheit ist aber
nicht unbestimmt; sie hat ihren Zweck: nur erhält sie den-selben nicht
von außen her, sondern setzt ihn sich durch sich selbst. Ich selbst und
mein notwendiger Zweck sind das Übersinnliche." J. G. Fichte, Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung, S. 181
...sofern ich ihn selber setze, setze ich ihn mir als notwendig - oder als mir notwendig. Kei-neswegs setze ich zwischen ihn und mich eine Welt - und bräuchte sie als Vermittlung zwi-schen uns. Der Zweck und ich sind einander unmittelbar. Dass im Zweck eine Welt vor-kommt, nämlich eine intelligible, ändert nichts an unserm Verhältnis zu einander - denn auch sie habe ich gesetzt.
Die sinnliche Welt habe ich vorgefunden, wenn ich einen Zweck und gar eine Pflicht habe, so habe ich sie in ihr. Die intelligible Welt habe ich selbst gemacht, sie ist das Maß, das ich an meine Zwecke und Pflichten anlege. Dass in ihr eine moralische Ordnung als allbereits geltend und nicht erst noch als geltend-zu-machen behauptet wird, hat er weder 'deduziert', noch ließe es der Wissenschaftslehre irgendwelche praktische Bedeutung.
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"Wenn von dem lediglich Intelligiblen geredet wird, ist der Gebrauch dieser und aller ver-wandten Begriffe, d. h. aller, die von dem Sehen herkommen und dasselbe weiter bestim-men, nur logisch, nicht aber reell." Rückerinnerungen..., S. 166 Daraus folgt für die Wissen-schaftslehre: "Ihr Hauptnutzen ist negativ und kritisch." ebd, S. 122
"Mittelbar, d. h. inwiefern ihre Kenntnis mit der Kenntnis des Lebens vereinigt ist, hat sie auch einen positiven Nutzen. Für das unmittelbar praktische pädagogische im weitesten Sinn des Worts: Sie zeigt, wie man die Menschen bilden müsse, um moralische, echtreli-giöse, legale Gesinnungen in ihnen hervorzubringen und nach und nach allgemein zu ma-chen. Für die theoretische Philosophie, Erkenntnis der Sinnenwelt, Naturwissenschaft ist sie regulativ. Sie zeigt, was man von der Natur fragen müsse. – Ihr Einfluß auf die Gesinnung des Menschengeschlechts überhaupt ist, daß sie ihnen Kraft, Mut und Selbstvertrauen bei-bringt, indem sie zeigt, daß sie und ihr ganzes Schicksal lediglich von sich selbst abhängen; indem sie den Menschen auf seine eignen Füße stellt." ebd, S. 123
Will sagen: Die Wissenschaftslehre hat keine positive Morallehre zu verkünden. Moralität gilt individuell und unmittelbar. Handle allezeit nach deinem eignen freien Urteil, konkreter kann man nicht sein: indem sie den Menschen auf seine eignen Füße stellt. Moralischer könnte die reelle Welt schlechterdings nicht geordnet werden.
JE
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