Montag, 18. November 2024

Wollen ist sinnlich, das reine Wollen ist bloß Erklärungsgrund.

Myron                                                           aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 

Wollen ist zuförderst ein selbsttätig Bestimmen, alles Bestimmen ist durch die Einbildungs-kraft vermittelt, es ist ein tätiges Bestimmen zu einem Zweckbegriffe. Sonach ist der ganze Begriff des Wollens sinnlich, alles Wollen ist Erscheinung, das reine Wollen wird bloß als Erklärungsgrund vorausgesetzt, es ist in unserer Vorstellung und Sprache nicht zu fassen. - 

Absolute Selbstheit, Autonomie, Freiheit, alles ist gleich unbegreiflich. Die Freiheit lässt sich nur negativ beschreiben, durch nicht-Bestimmtwerden.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 213


Nota I. - Wenn man überhaupt von einem An-sich reden könne, dann wäre es das reine Wollen, hatte es zuvor geheißen. Nicht freilich als ein metaphysisches Subjekt vor aller Erscheinung, sondern als bloßes Gedankending: Noumenon.

Wozu ein solches Gedankending? Als Erklärungsgrund. Wenn aber ein Realgrund im Sinne von Ursache und Wirkung nicht gemeint wäre - was dann? Es kann nur eine nachträgliche Sinn-Bestimmung sein. Der Zielpunkt, auf den die Rekonstruktion des Vorstellungsgangs hinauslaufen soll, ist gegeben - ein Zustand, in der Vernunft gilt (gelten soll: das ist dassel-be). Was Vernunft aber ist - woher sie kommt, woraus sie besteht, worin ihr Zweck liegt - sollte die Kritik erst herausfinden: Es ist Selbstbestimmen des Wollens zu einer Überein-stimmung der Vernunftwesen. Ad quem - Übereinstimmung, a quo - Wollen; das sind die beiden Pole derselben Sache.

Doch was im Nachhinein aussieht wie das Ergebnis einer Analyse, war im Anfang eine Synthesis par excellence: ein Postulat.

14. 6. 18

Nota II. - "Durch ihn wird es ein Ganzes": In der Wirklichkeit gibt es nur eine unendliche Mannigfaltigkeit einzelner Wollensakte. Die sind in Raum und Zeit und sind Fakten, näm-lich für einen Beobachter, aber als solche sind sie dumm: blind und taub. Deren Zusam-menfassung zu einem allgemeinen 'Wollen überhaupt' geschieht durch das Zuschreiben einer ihnen gemeinsam zukommenden Qualität. Erst im Nachhinein wird sie zum 'apri-orischen' Sinn eines jeden, aber es sieht so aus, als sei sie abstrahiert aus einem gemeinsa-men vorfindlichen Merkmal jener.
JE,11. 11. 20

 

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