Spitzweg zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Zuletzt
wird also ein Grund der jetzt zu beschreibenden Reflexion aufgestellt
werden müssen, denn sonst wird uns unser Verstehen nichts helfen. Es
wird uns hier gehen wie oben: Da wurde erst das unmittelbare Bewusst-sein
beschrieben als ideales sich selbst Setzen. Dann wurde das Ich in
diesen Zustand gesetzt, dies schien Sache der Freiheit zu sein, aber es
wurde gezeigt, dass, wenn ein Ich möglich sein sollte, diese Handlungen [notwendig] vorgenommen werden mussten.
2) Die Frage ist, wie wird doch das durch absolute Spontaneität Hervorgebrachte an-schaubar, oder was ist es eigentlich?
Wir haben schon oben gesehen, dass die Frage [lautet?],
was ein Gegensatz bedeutet. Wenn ich frage: Was ist x? so schwebt mir
eine Sphäre von Mannigfaltigem vor, was x sein könnte, ich will wissen,
was x unter dem Mannigfaltigen sei, sonach müssen wir wissen, wem das
durch Selbstbestimmung Hervorgebrachte entgegengesetzt werden soll.
Bestimmbarkeit
und Bestimmtheit ist bezogen auf ideale Tätigkeit, die gebunden ist,
nicht Tat, sondern Zustand des Ich ist. Sonach ist der Charakter des
hier Angeschauten ein Haltendes [sic],
beziehbar auf die Anschauung. Es wird sich vielleicht zeigen, das
alles Anschaubare ein Haltendes ist, weil die ideale Tätigkeit ein
solche ist, die bloß folgen kann.
Alle
ideale Tätigkeit bezieht sich unmittelbar lediglich auf reale
Tätigkeit. Was also das Haltende immer ist, so kann sich die ideale
Tätigkeit doch nur mittelbar darauf beziehen. Sonach müsste die
praktische Tätigkeit ge-bunden sein, wenn die ideale erklärt werden
sollte, so dass alle Beschränktheit, die im Bewusstsein vorkommt,
ausgehen müsste von der praktischen Tätigkeit.
___________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 56
Nota. - 'Weniger - mehr': das habe ich hinzugefügt. In der unablässigen Reflexion ge-schieht ein ununterbrochener Stellungswechsel. Jedes für sich ist nicht so - sondern ent-weder/oder; doch im Verlauf der Handloung ist das eine nur früher, das andere später, das eine nieder, das andere höher auf der Reflexionsleiter. (Natürlich, denn jedes ist ein weiterer Schritt im Bestimmen: jedesmal steht eine Mannigfaltigkeit zur Auswahl, fort-schreiten kann ich aber nur durch alternatives Entgegensetzen. Rückwärts betrachtet erscheint es wie gradueller Aufstieg.)
___________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 56
Nota. - 'Weniger - mehr': das habe ich hinzugefügt. In der unablässigen Reflexion ge-schieht ein ununterbrochener Stellungswechsel. Jedes für sich ist nicht so - sondern ent-weder/oder; doch im Verlauf der Handloung ist das eine nur früher, das andere später, das eine nieder, das andere höher auf der Reflexionsleiter. (Natürlich, denn jedes ist ein weiterer Schritt im Bestimmen: jedesmal steht eine Mannigfaltigkeit zur Auswahl, fort-schreiten kann ich aber nur durch alternatives Entgegensetzen. Rückwärts betrachtet erscheint es wie gradueller Aufstieg.)
20. 8. 2016
Nota II. - Wieso ist bestimmen nur möglich durch entgegensetzen? Ist das ein Glaubens-satz? Ohne Erläuterung evident ist es jedenfalls nicht.
Ausgangspunkt ist: Bestimmen ist ein Prozess - ein Fortschreiten in Schärfegraden, Stufe um Stufe. Jede Stufe - gradus - its eine höhere Ebene (oder tiefere, wie man will). Dort findet die Intelligenz alles so wie auf Stufe eins: eine Menge von Mannigfaltigem. In den Fingern hält sie - 'ist gesetzt' - das Ende vom Faden, aber wo muss er im Mannigfaltigen nun festgemacht werden? 'An dem, was ihm entgegensteht' heißt die Metapher. Es kann nicht deduziert, sondern muss gefunden werden, aufgefunden unter allen Möglicheiten der Vorstellungskraft: Sie muss den Gegensatz sich ein bilden. Ob sie zu einander passen, ist Sache des Urteilsvermögens. Einbilden und urteilen sind die beiden Seiten der intellek-tiven Tätigkeit.
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen