Man denke das
Bestimmbare als Etwas. Dieses Prädikat kommt ihm zu, denn es ist
an-schaubar. Unter diesem Etwas, welches in der Sphäre des Bestimmbaren
liegt, wählt die absolute Freiheit. Sie kann in ihrer Wahl nicht
gebunden sein, denn sonst wäre sie nicht Freiheit. Sie kann ins
Unendliche mehr oder weniger wählen, kein Teil ist ihr als der letzte
vorgeschrieben. Aus dieser Teilbarkeit ins Unendliche wird vieles folgen
(der Raum, die Zeit und die Dinge); unendlich teilbar ist alles, weil
es eine Sphäre für unsere Freiheit ist.
Hier ist die praktische Tätigkeit nicht gebunden, weil sie sonst aufhören müsste, Freiheit zu sein, aber darin
ist sie gebunden, dass sie nur aus dem Bestimmbaren wählen muss. Das
Bestimmbare erscheint nicht als hervorgebracht, weder durch ideale
noch durch reale Tätigkeit. Es erscheint als gegeben zur Wahl. Es ist
gegeben heißt nicht, es ist dem Ich überhaupt gegeben, sondern dem
wählenden praktischen Ich.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 57
Nota I - Was immer gegeben ist, ist als bestimmbar gegeben.
Wenn wir keine Erfahrung davon haben, können wir es nur rückblickend aus seinen Wir-kungen spekulativ erschließen. Es handelt sich ja nicht um etwas außer uns, das geschehen wäre, ohne dass wir dabei waren. Es lag nicht an dem, was geschehen ist, dass wir keine Erfahrung davon haben, sondern daran, dass uns die Fähigkeit zum Erfahren noch ge-fehlt hat. Ausgangspunkt unserer Reflexion ist also die Erfahrung; was ist sie, durch wel-che Leistung wird sie möglich, welches sind deren Bedingungen?
An obiger Stelle hatte der Transzendentalphilosoph schon einige Schritte getan - auf sei-nem re konstruktiven Rückweg. Vom abstrakt-allgemeinen Ich ist die Rede.
Nicht von den wirklichen historischen Menschen wie du und ich: Die sind vielmehr alle in eine Welt gekommen, die anscheinend rundum bereits bestimmt war. Nämlich durch eine Reihe vernünftiger Wesen, in die wir hineingeboren wurden. Dass uns dann im Lauf des Lebens immer mehr Sachen begegneten, die wider Erwarten noch unbestimmt waren, hat uns staunen gemacht, und wenn wir auf etwas stießen, das offenbar falsch bestimmt war, war es jedesmal ein Skandal. So ist die Philosophie entstanden, die Kritische zumal. Denn wenn er sich aufgefordert fühlt, Vorgefundenes selber zu bestimmen, dämmert ihm der Verdacht, auch die vorgefundenen Bestimmungen könnten von Ichen seinesgleichen vor-genommen sein - früher.
Die Transzendentalphilosophie entwirft nun ein Modell. Sie nimmt an ein noch unbe-schriebenes Blatt - Lockes Tabula Rasa -, von dem nur eines schon feststeht: Von einem dort frei zu wählenden Punkt muss eine Linie zum entwickelten System unserer Vernunft führen. Und nun sucht sie Schritt für Schritt nach dieser Linie. Dieser Schritt führt in die richtige, jener Schritt in die falsche Richtung. Ob so oder so, kann man vorab nur ahnen, man wird es immer und immer wieder versuchen müssen.
Dann stößt besagtes Ich allerdings immer wieder auf ein ihm anschaulich Gegebenes, das nicht bestimmt und daher bestimmbar ist. Es ist nicht als dieses, sondern zur Wahl 'gege-ben'.
Es liegt nicht 'im Wesen' des Etwas, dass es bestimmbar ist; es liegt vielmehr im Charakter des Ich, dass es bestimmend ist, denn das macht seine Vernünftigkeit aus, welche die Vor-aussetzung der Untersuchung war. Sein Bestimmen geht ins Unendliche, denn nie kommt die Vernunft an ein Ende. Bestimmbar ist immer auch alles von andern bereits Vor be-stimmte. Es ist unendlich fort- und folglich um bestimmbar. Vernunft ist wesentlich kri-tisch.
22. 12. 18
JE, 12. 3. 21
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