Ist einmal das Auffassen nicht möglich, so entsteht ein Staunen, welches der Grund des Erhabenen ist.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 57
Nota. -
Bei Kant kam das Erhabene etwas verlegen hinter dem Schönen hergehinkt,
Schelling stellte es gleichberechtigt an seine Seite, und bei den
Modernen, heißt es seit Adorno, träte es geradezu an seine Stelle. - Da
ist was dran, und wenn man das Ästheti-sche nicht auffasst als etwas, das
immer gegeben war, sondern als etwas, das immer erst werden muss,
dann könnte man obige Fichte-Stelle als Grund-Satz für eine Theorie der
Ästhetik ansehen: im Unterschied nämlich zu einer Theorie des Wissens.
PS. - Dass den Römern der Satz Nil admirari als
maßgebende Lebensweisheit galt, weist darauf hin, wieso sie in
ästhetischen Dingen nie aus dem Schatten der Griechen heraus-treten
konnten.
PPS. - Könnte man nicht den Charakter einer Nation danach beurteilen, ob ihre Sprache für das Staunen ein treffendes Wort hat?
PPPS. - ...und verstünde man besser, warum Joh. Fr. Herbart ausgerechnet die 'ästhetische Darstellung der Welt' für die eigentlichste Angelegenheit der Pädagogik nehmen konnte.
PPPPS. - Und schließlich wäre auch der Anfang aller Philosophie ein ästhetischer (und die Römer konnten ihn nie finden).
31. 8. 15
Admirari - daher kommt frz. admirer - bewundern. Es
ist die elementare Gemütsbewe-gung eines Menschen, in dessen Wahrnehmung
etwas aus der Selbstverständlichkeit her-ausspringt - und dadurch zu
einem Etwas überhaupt erst wird, das sich vom Einerlei des Selbstverständlichen unterscheiden lässt.
Wir stellen uns einen
Hominiden vor, der zum erstenmal seine Urwaldnische verlässt. Dort war
alles an seinem Platz, hier ist die Welt ein Chaos, das so
ununterscheidbar ist wie die selbstverständliche Umwelt zuvor;
unterscheidbar sind allenfalls die Etwasse, die die Erinnerungsspur des
Urwalds an sich tragen und auf einmal Erheblichkeit gewinnen: "Ach, das war das!" Es ist der Ur-Sprung des Geistes: das Entstehen einer Bedeutung für mich. Das ist allerdings ein Wunder, une merveille, a marvel.
Unbestimmt, bestimmbar
waren die selbstverständliche Urwaldnische* und das ursprüng-liche Chaos
der offenen Welt. Das bestaunte Wunderding ist indessen vor-bestimmt: als zu-bestimmen durch mich.
Bis hierher ist noch
kein Anlass, ästhetisch-Sinnliches von kognitiv-Logischem zu
unter-scheiden. Das wird erst nötig in dem Fall, wo ein Zubestimmendes
sich meinem Bestim-menwollen dauerhaft widersetzt. Dass es da ist, können meines Sinne nicht bezweifeln, doch was es ist, kann meine Intelligenz nicht feststellen. Und wieder muss ich mich wun-dern, vorm Hintergrund alles mehr oder minder Bestimmten; ein Wundern zweiten Gra-des: das ästhetische Erleben. Ob ich das, was bewundert wird, das Schöne oder das Erha-bene nenne, ist offenbar nur eine Frage des Zeitgeschmacks.
Das ist eine Märchenerzählung?
Genau! Der Sinn einer Geschichte ist nicht die Geschichte selbst, sondern eine andere Geschichte.
18. 7. 18
*)PS. Dass die Urwaldnische unbestimmt-bestimmbar gewesen wäre, ist nicht wahr. Das wäre sie für ein Vernunftwesen gewesen, das noch keinerlei Erfahrung mitbringt und sich trotzdem zum Bestimmenwollen erkühnt. Unser tierischer Urahn war voraussetzungsge-mäß nicht vernunftbegabt und hatte ipso facto auch keine 'Erfahrung'. Bestimmt war für ihn nichts, gerade weil für ihn nichts un bestimmt war.
Man könnte sagen: Für ihn war alles an seinem Platz, wenn man... sagen könnte, dass ir-gendwas für ihn gewesen sei.
3. 7. 21
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