Donnerstag, 2. Oktober 2025

Das Wahre denken.

                                   zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Wie wir in einem der letzten der vorigen Paragraphen gesehen haben, so ist Grund alles ob-jektiven Denkens mein eigner Zustand. Nun soll das Denken eines Objekts objektiv sein, es muss sich daher auf meinen Zustand beziehen. (Der Wahrheit gemäß vorstellen heißt so vorstellen, dass mein Zustand daraus erklärt werde.) Die Ortsbestimmung ist ein objektives Denken, sie muss daher einen Zustand von mir erklären, und alle Ortsbestimmung muss von mir ausgehen.

Die
Erfahrung sagt hierüber: Man ordnet die Dinge im Raume nach der geringern oder grö-ßern Entfernung und Lage von sich selbst, d. h. nach der geringern oder größern Kraftäu-ßerung, deren man bedürfte, um sich selbst in den Ort zu versetzen, in dem das Objekt sich befindet (Der Raum lässt sich nur durch die Zeit messen und umgekehrt), und dann, ob es uns links oder rechts, vor- oder seitwärts liege. Diese Aussage der Erfahrung soll uns aber nicht als ein Beweis gelten.

Wenn alle Ortsbestimmung von mir ausgehen, alle Objekte im Raume durch mich bestimmt werden sollen, so muss ich selber aller Vorstellung vorher als ein alle Vorstellungen im Rau-me Bestimmendes im Raume sein. Ich müsste mir im Raume gegeben sein.

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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 118


Nota. - Der Bestimmungsgrund von Wahrheit ist nicht objektiv, sondern liegt im Subjekt. Wahrheit 'gibt es' nur als Wahrhaftigkeit. Objektiv 'bin' ich: indem ich mir im Raum und daher in der Zeit, bzw. umgekehrt, gegeben bin. Er ist es, der all meine Tätigkeit vermittelt und objektiviert. Nicht nur die reale, sondern auch die ideale: denn auch die leiste ich, in-dem ich in der Welt bin, und die ist mir unmittelbarer als der Raum, der lediglich ein ab-straktes Gedankending ist. 'Das Ich' dagegen ist ein Noumenon und ist weder im Raum noch in der Zeit oder gar der Welt. Daher Fichtes verwirrende Formulierung, das Ich sei 'ein für alle Mal' und ewig. Ein gutes Beispiel übrigens für die Unterscheidung von 'realer' und 'idealer' Tätigkeit - und ihrer unentwegten Interferenz in der Darstellung (=ideale T.).
JE

  

Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

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