Donnerstag, 16. Oktober 2025

Das unmittelbare Bewusstsein.

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...Wesen des freien Wesens. Es fängt von einem freien Handeln an, welchem gar kein Be-wusstsein vorausgeht. Dieses freie Handeln wird Gegenstand des Bewusstseins und kann hinterher als Produkt der Freiheit ange/sehen werden.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,
 S. 107f.

 

Es bestimmt sich, aber indem es sich bestimmt, hat es sich schon; das sich Bestimmen soll, muss sich selbst haben, und was sich selbst hat, ist eine Intelligenz.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,
 S. 52 


Die reale Tätigkeit bestimmt sich zum Handeln, und diese ist nicht anschaubar, sie ist nicht Etwas, nicht teilbar, sie ist absolut einfach. Das sonach, wozu sich das Ich durch Selbstaf-fektion bestimmt, müsste anschaubar sein, das Handeln. Dies aber ist nicht möglich, wenn im Handeln der praktischen Tätigkeit die Freiheit nicht gebunden ist. Aber aufgehoben darf sie nicht werden, Tätigkeit muss sie sein und bleiben, sie müsste gebunden und auch nicht gebunden sein, beides müsste stattfinden. 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,
  S. 58


 
Alles Bewusstsein geht aus von dem oben angezeigten unmittelbare Bewusstsein (§1). Das durch und in diesem Bewusstsein sich selbst Setzende A ist eine von uns, die wir philoso-phieren, mit Freiheit der Willkür hervorgebrachte Repräsentation des unmittelbaren Be-wusstseins. (Das unmittelbare Bewusstsein ist in allem Bewusstsein das Bewusstseiende, aber nicht das, dessen man sich bewusst ist, das Auge sieht hier das Sehen des Auges). Die Repräsentation brachten wir hervor mit Willkür. Wir hätten auch von etwas anderem reden können; so haben wir zur Seite liegen lassen, ob es nicht in anderer Rücksicht mit Notwen-digkeit repräsentiert werden könne. – Diese A, dieses Zuschauen des sich Setzens, ist An-schauung, und zwar innere, intellektuelle Anschauung. –
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,
  S. 39f.

 

Unvermerkt haben wir das oben Angezeigte; nämlich das unmittelbare Bewusstsein ist gar kein Bewusstsein, es ist ein dumpfes sich selbst Setzen, aus dem nichts herausgeht; eine An-schauung, ohne dass angeschaut würde. Die Frage, wie kommt das Ich dazu, aus dem un-mittelbaren Bewusstsein herauszugehen und sich das Bewusstsein zu bilden, ist hier beant-wortet. Soll das Ich sein, so muss das unmittelbare Bewusstsein wieder gesetzt werden durch absolute Freiheit. Dieses vor sich Hinstellen durch absolute Freiheit ist frei; aber unter der Bedingung, dass das Ich sein soll, ists notwendig.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 49  

 

Alles Bewusstseyn ist bedingt durch das unmittelbare Bewusstseyn unserer selbst.
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J. G. Fichte, Versuch einere neuen Darstellung der Wissenschaftslehre,
Überschrift zum Ersten Kapitel; SW Bd. I, S. 522


 

Nota I. - Dies nur, um zu erinnern: So transzendental das abolute Ich auch sei - wenn überhaupt, kommt es nur durch ein Handeln wirklich lebender menschlicher Individuen zustande. Elementarer ist nichts.
30. 3. 14.

Nota II. - Ausgangspunkt des tatsächlichen Bewusstseins - nicht der Wissenschaftslehre! - ist das Faktum des unmittelbaren Bewusstseins meiner selbst. Es ist gegeben vor aller Reflexion. "Das unmittelbare Bewusstsein ist gar kein Bewusstsein, es ist ein dumpfes sich selbst Setzen, aus dem nichts herausgeht; eine Anschauung, ohne dass angeschaut würde." Nova methodo, S. 49 

'Die Frage, wie kommt das Ich dazu, aus dem unmittelbaren Bewusstsein herauszugehen und sich das Bewusstsein zu bilden', stellt sich dem realen Individuum nicht, sondern nur dem Philosophen: "Soll das Ich sein, so muss das unmittelbare Bewusstsein wieder gesetzt werden durch absolute Freiheit. Dieses vor sich Hinstellen durch absolute Freiheit ist frei; aber unter der Bedingung, dass das Ich sein soll, ists notwendig." ebd. Hat ein Ich sich als ein solches gesetzt, so durch Anschauung des 'unmittelbaren Bewusstseins'. "Das Ideale ist das Subjektive beim Praktischen, das dem Praktischen Zusehende, und da für das Ich nur etwas ist, in wie fern es zusieht, so ist auch nur durch die ideale Tätigkeit etwas für das Ich da." ebd

Das 'unmittelbare Bewusstsein meiner selbst' ist ein Faktum, gesetzt durch reale Tätigkeit, und also noch kein Bewusst sein. Dazu wird es durch die ideale Tätigkeit des Anschauens.

('Das Praktische', nämlich Tätigkeit, ist der alleinige Gegenstand der Wissenschaftslehre: für sie ist es Objekt und objektiv, und insofern ist es 'real'. Sofern 'das Praktische' sich selbst zusieht, wird es 'ideal' und subjektiv.)
19. 9. 18

Nota III. - Zu einem Bewusstsein wird das Wahrnehmen eines Mannigfaltigen, indem das Wahrnehmende sich absolute Freiheit als dessen Produzent zuschreibt.
 
Das unmittelbare Bewusstsein ist das schlechterdings Bestimmbare: Es ist ebenso das, was unmittelbar ist, wie das, was unmittelbar ist; es ist Machen. Ich kann nur dieses oder jenes machen. Ohne Bestimmen kommt ein Handeln nicht 'zu Stande'. Bestimmen ist der Akt der Freiheit. Das philosophisch-neurophysiologische Vexierstück lässt sich so formulieren: Gibt es ein Übergehen vom Bestimmbaren zur Bestimmten? - Die Frage beantwortet sich selbst. Da überschneiden sich transzendentale Sichtweise und reelle Bewusstseinspsycholo-gie: Das dumpfe sich-selbst-Setzen in der Anschauung des originären Akts ist nicht selbst schon Bewusstsein, sondern ebenso dessen Bedingung wie sein primärer Gegenstand: in Doppelheit. Wie ich immer wieder sage: Grundlage der Transzendentalphilosophie ist Faktisches; freilich in äußerster Abstraktion betrachtet.
im Juni 2017 
 
 
 

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