Freitag, 31. Oktober 2025

Ich bin ursprünglich bestimmt als bestimmend...

pixabay                             aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Alles Denken ist Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Nun kann es sich mit dem Objekte des Denkens auf zweierlei Art verhalten:

A) Ich bekomme das Objekt als ein Bestimmbares; dann bestimme ich es durch mein Den-ken; z. B. wenn ich ein Objekt im Raume in eine andere Stelle versetze; 

oder

B) das Objekt wird gefunden als ein durchgängig Bestimmtes, so kann ich es nicht denken als durch mein Denken bestimmt; nun kann ich mich aber nur denken als bestimmend; mein Denken müsste daher erscheinen als dem Bestimmen zusehend, als leidend.

Z. B. ich finde mich ursprünglich bestimmt, ich soll, oder ich finde meinen reinen Willen. Dieser wird meinem Denken als solcher schon gegeben, aber er kann nur gedacht werden als ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten.

Das Ich ist, wie es hier in dem Hauptbegriffe der ursprünglichen Bestimmtheit angesehen wird, etwas Intelligibles, ein Geistiges, es lässt sich bloß negativ bestimmen durch Abstrak-tion von der äußeren Anschauung. Die Form der äußeren Anschauung Raum und Zeit passt darauf gar nicht. Das Ich als ein Geistiges ist ein Bestimmtes, das Bestimmbare dazu muss auch ein Geistiges sein, eine Masse des rein Geistigen (sit vernia verbo; es wird sich unten zeigen als Reich vernünftiger Wesen, das ist ein bestimmter Teil dieser Masse; es wird sich zeigen, dass das Geistige sich teilen lasse.) Das Ich ist Vernunft und bestimmte Vernunft.

Das Bestimmbare dazu ist alle Vernunft (Wesen meiner Gattung), das Bestimmte bin ich (und da ich mir eine Sphäre des Vernünftigen entgegensetze:) als Individuum.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 148f.



Nota I. - Ich bin ursprünglich bestimmt als bestimmend. (Ich soll: So finde ich mich vor.) Ich muss mich zugleich als tätig denken: bestimmend, und auch als leidend denken: be-stimmt. Soll heißen: Ich sehe mir beim Bestimmtwerden zu. - Aber das Bestimmende bin ich auch: Ich bestimme das vorgefundene Sollen als meinen Willen, und bestimme mich dadurch als ein Individuum (im Unterschied zu anderen...) Meint er es so? 

30. 12. 16

Nota II. - 'Das Ich ist Vernunft und bestimmte Vernunft.' Nur sofern das empirische Indi-viduum vernünftig ist, wird es in der Wissenschaftslehre betrachtet - denn sie beschreibt ja die Genesis der Vernunft - und was nicht in dieser Reihe liegt, geht sie nichts an.

'Das Bestimmbare dazu ist Vernunft (Wesen der Gattung), das Bestimmte bin ich (und da ich mir eine Sphäre des Vernünftigen entgegen setze:) als Individuum.' Was Vernunft 'ist' (=sein soll), ist das, was ich bestimmen soll; nicht das, was mich bestimmt. Indem ich be-stimme, 'was Vernunft ist' - was das Wesen meiner Gattung ist -, bestimme ich mich. Das umfasst all meine Lebenstätigkeit. Ich kann gar nicht anders als ihr zusehen; ich sehe mei-nem Selbstbestimmen zu. 

Ohne die Vorstellung von der Vernunft als einer zu realisierenden Aufgabe ist die Kernidee der Wissenschaftslehre gar nicht denkbar. Sobald die Vorstellung einer vorbestimmten Ver-nunft eingeführt wird, wird daraus eine völlig andere Lehre.
3. 6. 18

Nota III. - Die Pointe ist die: Die Reihe vernünftiger Wesen, in der sich 'das' Ich an einem bestimmten Punkt seiner Selbstbestimmung vorfindet, hat mich erwartet: Sie ist zu mir be-stimmt wie ich zu ihr. Sie und ich sind Wechselbegriffe; eins bestimmt das andere, eins ist ohne das andere nicht denkbar.
JE 
27. 12. 21

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Die Wahrheiten der Transzendentalphilosophie sind immer konkret.

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Die Wahrheiten der Transzendentalphilosophie sind nicht in Granit gemeißelt. Es kommt immer drauf an. Darauf, woher man kommt, und darauf, worauf man hinauswill.

Käme man nirgends her, wollte man auf nichts hinaus, so gäbe es nichts, was gilt.
27. !2. 21  

 

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Mittwoch, 29. Oktober 2025

Das ursprüngliche Simulacrum.

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Vorstellen ist anschauen als ob. Das ursprünglichste Simulacrum.

Es ist der Ursprung von Allem. Durchs re Präsentieren wird etwas erst zu Diesem. Das      Repräsentieren des Repräsentierens ist eine fast unvermeidliche Folge.
21. 12. 20 

 

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Dienstag, 28. Oktober 2025

Zu einem Ich werde ich, indem reale und ideale Tätigkeit sich aufspalten.

                                       zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
 
Unmittelbar ist das Gefühl Gegenstand der Anschauung nicht, auch kann das Gefühl nicht willkürlich erneuert werden, wie die Vorstellung eines Objekts erneuert werden kann: Ein Gefühl ist kein Ding, kein zu Konstruierendes, das beschrieben werden kann. Es ist ein Zustand; es ist kein Substanzielles, sondern ein Akzidens einer Substanz. Aber das Gefühl scheint mit dem Objekt ganz verknüpft zu sein, es kann nicht gefühlt werden, ohne es auf ein Objekt zu beziehen. Dies muss einen Grund haben, und wir werden den Zusammen-hang zwischen Gefühl und Objekt aufsuchen.

Hier ist der Punkt, wo ideale und reale Tätigkeit sich trennen und wo eine nur beschrieben werden kann, indem man sie auf die andere bezieht, denn beide stehen im Wechsel. - Im Gefühle kommt das ganze unzerteilte Ich vor; sehen können wir das Ich nicht, aber fühlen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,
 
S. 78
 
 


Nota. - 'Tätigkeit' ist die erste Bestimmung des Wollens, das ein bloßes Noumenon ist und als solches nur vorausgesetzt wurde, um Tätigkeit 'möglich' zu machen: ein Erklärungs-grund. Realiter ist wollen sinnlich, indem es in der Sinnenwelt nämlich als Tätigkeit vorge-funden wird, und nur als ein Tätiges 'gibt es' ein Ich. Realiter gibt es den oder das Tätige, das Ich ist seinerseits bloß ein Noumenon, das nicht vorfindlich ist und auf das lediglich geschlossen wird, um... das tätige Individuum zu erklären

Es handelt sich nicht um einen Tatsachenbericht, sondern um eine Sinnbehauptung. In-sofern ist die Wissenschaftslehre an ihrem Grund eine Anthropologie. 

*

Die Wissenschaftslehre soll ein System sein, aber dessen Grund kann nicht in ihm liegen, denn dann wäre er nicht sein GrundSie ist durchgeführte Vernunftkritik, sie will die Grün-de für unsere Erfahrung prüfen. Und unsere Erfahrung beruht auf unseren Sinnen. Es muss noch etwas hinzukommen, wie am kritischen Beispiel der Kausalität erhellt, die in histori-scher Wirklichkeit das Kriterium der Vernünftigkeit ist: 'Nichts geschieht je ohne Ursache.' Post hoc heißt nicht propter hoc, wohl wahr. Aber hoc, egal ob post oder propter, kann nicht anders als durch sinnliches Erleben bestimmt werden - lat. sensus, auf Deutsch Ge-fühl.

Ohne Begriff, der hinzutritt, könnte es nichts bedeuten, auch das ist wahr. Aber es kann etwas bedeuten nur, wenn es als dieses und kein anderes bestimmt wurde. Das aber wäre ein erster Schritt übers Fühlen hinaus: anschauen als dieses und als meines. Das ist "der Punkt, wo ideale und reale Tätigkeit sich trennen". Hier zerfällt bzw. verdoppelt sich, was bislang ein und dieselbe Tätigkeit war. Es wird "quantifizierbar", was bei F. nichts anderes bedeutet als teilbar, wobei es auf die jeweilige Menge nicht ankommt, denn Tätigkeit ist als Noume-non unbestimmt und daher unbegrenzt.* 

Das jeweilige 'Quantum' von realer und idealer Tätigkeit wird er von nun an "Trieb" nen-nen, wobei er nicht ahnen konnte, dass die Vokabel im Gefolge von Schopenhauer/Freud eines Tages eine ungute biotische Bedeutung annehmen würde, die jenseits aller transzen-entalen Bestimmung liegt. Der heutige Leser muss versuchen, sie sich aus dem Kopf zu schlagen 

*)Das Quantum der idealen Tätigkeit ist allerdings begrenzt: nämlich auf den Punkt der realen Tätigkeit, auf den sie sich gerichtet hat. Da Tätigkeit virtualiter aber unbegrenzt ist, bleibt der idealen Tätigkeit immer ein wiederum unbegrenztes 'Quantum' übrig...

  

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Montag, 27. Oktober 2025

Was heißt apriori?

billiger                                                   zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
 
Der Raum ist a priori, dies kann zweierlei bedeuten; teils lediglich durch das Vernunftgesetz, in dieser Rücksicht ist alles a priori außer das Gefühl und dessen Prädikate, teils ein vor aller Anschauung Gegebenes, ein bloß Bestimmbares, etwas, das die Anschauung erst möglich macht.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,
 
S. 111
 

 

Nota. - Angenommen, das System wäre fertig und die gesamte (vorgestellte) Wirklichkeit in ihm zusammengefasst: Dann könnte die Vernunft 'von oben anfangen' und alles Besondere aus ihm ableiten. "Durch das Vernunftgesetz", sagt F.bedenkend freilich, dass "es" ein sol-ches nur "gibt", inwiefern es tätig durchgeführt wird.

Die vorkantischen, hauptsächlich an Leibniz oder Spinoza orientierten rationalistischen Me-taphysiken meinten, ihr System nur auf gegebenen Begriffen ausbauen zu dürfen: Die waren apriori, und sofern sie als System dargestellt wurden, war dieses das universale Apriori.  

Da sie von der Erfahrung, um deretwillen Kant seine Kritik begonnen hatte,  gar nicht han-delten, brauchten sie aufs Gefühl nicht einzugehen. Da sie die Begriffe als Seiende auffass-ten, brauchten sie auch von der Vorstellung nicht zu reden, aus der allein sie hervorgehen können.* 

Dem orthodoxen Kantianer galt aber alles, was auf Erfahrung beruhte - also alles faktische Wissen - als das Reich des Aposteriori, dem die zwölf ordnenden Kategorien und die bei-den Anschauungsformen Raum und Zeit als ein eignes Reich zu Grunde lagen. 

Dem trat Fichte mit seinem Wortgebrauch entgegen, womit er bei besagten Orthodoxen Heiterkeit erregte, weil er, um das Faktum der Mitteilung durch das Wort zu erklären, Luft und Licht "apriori deduzieren" musste.  

Für F. ist allerdings, wenn man die Entstehung der Vernunft betrachtet, gerade das Gefühl apriori. Von ihm nimmt, mit der Anschauung als erstem Schritt, das Reflektieren oder, wie F. vorzugsweise sagt, die "ideale Tätigkeit" ihren Anfang. 

Was apriori und was aposteriori ist, hat mit dem Beschaffenheit der Dinge - 'an sich' - gar nichts zu tun, sondern richtet sich nach dem Gesichtspunkt, den man wählt - vom einen Ganzen auf das Mannigfaltige oder vom Mannigfaltigen aufs Ganze.

*) Alexander Baumgartner, dessen System Kant von seiner Kopernianischen Wende anhing, hatte ein System der Gefühle als des "unteren Erkenntnisvermögens" aufgestellt, das er philologisch korrekt als Aesthetica beschrieb, und so Generationen von Nachgeborenen in Verwirrung stürzte. Es besteht freilich, wie in dieser Richtung üb-lich, nur aus einer Aneinanderreihung von Definitionen; begründet wird nichts. 
JE  

 

Sonntag, 26. Oktober 2025

Wertgesetz und gesellschaftliche Anerkennung.

Barter                              zu Wissenschaftslehre...zu Marxiana

Es ist eine ungeschickte Formulierung: "Verteilung der verfügbaren Zeit" auf die "gesell-schaftlich geltenden" oder "geltend sollenden" Bedürfnisse: Die Entscheidung über die Verteilung der Zeit ist eben die Entscheidung über das "Gelten-Sollen" der jeweiligen Be-dürfnisse: Das Allgemein-Gelten ist nichts anderes als die Anerkennung - für die Wissen-schaftslehre konstitutiv, nämlich für deren reelle Grundlage - im 'Naturrecht' -, wo die Existenz des Anderen die Aufforderung an das empirische Individuum richtet, sich "als" Vernunftwesen zu konstituieren: zum "Ich", nämlich dem Selbst-Bewusstsein...

Fichte kann im 'Naturrecht' den Akt der gegenseitigen, d. h. "wechselwirkenden" Anerken-nung nur darstellen - insofern die Darstellung empirisch erscheint - als zwischen Zwei Indi-viduen, "du und ich", was in der Tat eine subjektivistische Auffassung der Sache nahelegt; 'du und ich' als Paradigma, wovon "das Allgemeine" nur eine empirische, nämlich quantita-tive Ausweitung ist; Addition von cases, Häufung von "Fällen"; obwohl es aber doch 'lo-gisch' umgekehrt gemeint sein muss!

Erst im Wertproblem ist die 'Anerkennung' allgemein gefasst: ist die Gesetztheit des All-gemeinen Voraussetzung für So-Gesetztheit (=als Gleiche!) der Individuen.

Gelten ist natürlich immer gelten für..., nämlich für Anderes. Aber 'das Andere' - der An-dere - 'ist' überhaupt nur als anderer, sofern er (mir) als solcher gilt. Mein Gelten ist "nichts als" mein Wirksam-Sein für Andere - und das setzt ipso facto dessen Gelten (=Wirksam-Sein) für mich; also beides "in einem einzigen Akt". Die 'Wechselwirkung' ist nur die "Er-scheinung" dieses 'einen Akts' in der Reflexion, für den Verstand, der vereinzeln und her-nach addieren muss, in Raum und Zeit...

Der Markt ist die Lösung des Geltungs-, Anerkennungs-, Wert problems, weil er auch des-sen realer historischer Grund ist. Er ist das reell Allgemeine,* das in die Vorstellung zuerst als logisch Allgemeines aufgenommen wird: Das Individuum wird jetzt, in der bürgerlichen Gesellschaft, "Subjekt": civis, der bourgeois wird citoyen, "Mensch"; zuvor war jeder das, was er eben war; jetzt sind sie alle dasselbe, "Mensch", "Gattung"; früher hatte jeder sein Recht, als privilegium, das ihm unter Ausschluss aller andern zugesprochen war; jetzt haben alle 'von Natur aus' dasselbe Recht, "Naturrecht". Der Vertrag als abstrakte Form des Tauschs wird zum Paradigma aller gesellschaftlichen Verhältnisse, bis zum Exzess in Fichtes Revolutionsschriften!

Die Ware macht sie wirklich zu Gleichen - als Besitzer, d. h. sofern sie besitzen, des Ar-beitsvermögens und der Bedingungen seiner Realisierung,** also insofern sie die wirkliche lebendige Arbeit "besitzen", d. h. kommandieren; und das tut der Arbeiter nicht.

Und hier kommen wir der Sache auf den Grund: Es handelt sich nämlich nicht um "Aner-kennung überhaupt" - was eine rein formale Bestimmung wäre, d. h. gar keine; sondern um die Anerkennung als Gleiche; welche indes unter der bürgerlichen Form der Vergesellschaf-tung ebenfalls noch eine nur formale Bestimmung ist...

*) Die Konkurrenz ist die Verallgemeinerung actu, "prozessierend".
**) [Produktionsmittel] 
3. 8. 87 

 

Samstag, 25. Oktober 2025

Arbeit ist nicht das Wesen des Menschen.

                                                        aus Marxiana

Die Arbeit ist keine Naturbestimmung des Menschen, sondern eine historische, ist seine Selbst bestimmung - vollständig eben erst in der bürgerlichen Gesellschaft, wo die Men-schen wirklich alle ihre Lebensmittel erst produzieren müssen, ehe sie sie verzehren können, weil die Lebensmittel eben nicht mehr in der Natur einfach vorgefunden werden, Verzehr und Aneignung nicht mehr unmittelbar zusammenfallen. 

...weil "das große Magazin der Natur, die Erde" erschöpft wäre?! Nicht so sehr: vielmehr weil das Leben ein solches geworden ist, dass es bestimmterer Mittel bedarf - "viel" Arbeit, d. h. qualifiziertere, differenziertere, eben hochbestimmte -, die eine weitgehende Speziali-sierung (=Qualifikation) der Tätigkeit voraussetzen, d. h. Teilung der Arbeit - und diese macht den Tausch notwendig: Die Bestimmung des Menschen als schlechtin Arbeitender, allseitiger Produzent, homo faber, ist nicht bloß eine 'Idee' der bürgerlichen Gesellschaft - sie ist es gar nicht: der Teminus ist viel älter (?) -, sondern ihre reale Schöpfung: Erst die bürgerliche Gesellschaft, wenn man so will, die "industrielle" (was dasselbe ist) setzt die Arbeit als das Wesen des Menschen...

(nachdem er lange Zeit vor allem - aber dann immer weniger! - homo ludens gewesen ist)

"Die Setzung des Individuums als eines Arbeiters, in dieser Nacktheit, ist selbst historisches Produkt."
K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 379 [MEW 42, S. 375]  
Ende Okt. 85

 
 
 

Freitag, 24. Oktober 2025

Dass die Arbeit 'Quelle allen Reichtums' sei, ist die bürgerliche Idee par excellence.

  Hans Erni?                                                                                    zu Marxiana

Dass die Arbeit die Quelle allen Reichtums sei, ist die bürgerliche Idee par excellence, denn sie heißt nichts anderes als dass der Reichtum eo ipso "Wert" sei; er ist aber Gebrauchs-wert. 

Dem enspricht die Vorstellung, dass die Arbeit der Rechtsgrund des Eigentums sei ("For-mation"; vgl. Fichte gg. Rousseau); der ist aber die Okkupation, sonst nichts. Hat alles nur seinen Sinn als Polemik gegen die Grundrente, d. h. das Grundeigentum.  

Dass am Beginn der Arbeiterbewegung die "sozialistischen Ricardianer" die Polemik um-gedreht und gegen das Kapital gewendet haben, ist ebenso "normal", wie dass die franzö-sische Arbeiterbewegung  in ihrem Beginn auf die Ideen der franz. Revolution zurückge-griffen hat. ...
11. 4. 87

Der Mensch ist nicht 'an sich' Arbeiter. Das wird er erst in der Arbeitsgesellschaft - "auf den Begriff gebracht" in der Großen Industrie: der kapitalistischen Produktionsweise. 'An sich' ist der Mensch aber Konsument - unabhängig von der Gesellschaftsform, in der er lebt. Und als einem solchen geht es ihm um den Gebrauchswert der Dinge - ob sie nun Arbeits-produkte sind oder in Gottes freier Natur fix und fertig vorgefunden werden, wie etwa im Schlaraffenland.

Tauschwert hat ein Ding nur, sofern es Arbeitsprodukt ist - oder doch auf dem Markt mit Arbeitsprodukten konkurrieren muss: Ausschlaggebend ist, dass in der bürgerliche Gesell-schaft die Menschen nicht erst als Produzenten, sondern schon als Konsumenten auf den Markt angeweisen sind. Dort gilt allerdings das Naturprodukt dem Arbeitsprodukt gleich. Mit dem feinen Unterschied, dass ein Naturding genommen werden muss in der Qualität und Quantität, in der es vorgefunden wird; während ein Arbeitsprodukt nach Quantität und Qualität vermehrt werden kann - und ipso facto den Preis bestimmt.

Vom Standpunkt des Kapitalisten - Industriellen oder Kaufmann - ist das Ding vor allem andern Ware, und an der interessiert ihn der Tauschwert - nämlich soweit er höher ausfällt als die Produktionskosten; weil Arbeit Mehr wert abwirft.

Reichtum ist, stofflich betrachtet, Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse; aber das Bedürfnis gilt dem Gebrauchswert. Ob er vom Baum gefallen ist, mit eigner Hand verfertigt oder einge-tauscht wurde, ist dem Bedürfnis gleichgültig.  

 

Donnerstag, 23. Oktober 2025

Ich als System und Bürge der Wahrheit.

                         zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

In der Wahrheit kommt sonach das Ich ungeteilt vor, gleichsam als ein System, wo aus einem alles andre notwendig folgt. 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,
 
S. 106
 

 
 
Nota.
Ichheit und Wahrheit sind hiernach Wechselbegriffe: Wo Gefühl und Anschauung zu syste-mischer Übereinkunft kommen - was sich freilich praktisch erweisen muss -, reden wir von Wahrheit, eigentlich: Wahrhaftigkeit; statt veritas sozusagen vericitas.
 
Und umgekehrt kann von Ichheit nur die Rede sein, wo "Übereinstimmung" gegeben ist; wo Gefühl und Anschauung 'jedes seinen eigenen Weg geht', ist das Ich gespalten, und also keines.
21. 10. 16

 

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Mittwoch, 22. Oktober 2025

Der Mensch ist von Natur weder sesshaft noch Eigentümer.

                                                                aus Marxiana 

In der ersten Form dieses Grundeigenthums – erscheint zunächst ein naturwüchsiges Ge meinwesen als erste Voraussetzung. Familie und die im Stamm erweiterte Familie, oder durch intermarriage zwischen Familien, oder Combination von Stämmen. 

Da wir annehmen können, daß das Hirtenwesen, überhaupt Wanderung die erste Form der Existenzweise, nicht daß der Stamm sich niederläßt auf einem bestimmten Sitz, sondern daß er abweidet, was er vorfindet – die Menschen sind nicht von Natur seßhaft (es müßte denn sein in so besonders fruchtbarer Naturumgebung, daß sie wie Affen auf einem Baum sitzen; sonst roaming, wie die wilden Thiere), so erscheint die Stammgemeinschaft, das na-türliche Gemeinwesen nicht als Resultat, sondern als Voraussetzung der gemeinschaftlichen Aneignung (temporären) und Benutzung des Bodens. 

Lassen sie sich endlich nieder, so wird es von verschiednen äusserlichen, klimatischen, geo-graphischen, physischen etc Bedingungen sowohl, wie von ihrer besondren Naturanlage etc abhängen – ihrem Stammcharacter –, wie mehr oder minder diese ursprüngliche Gemeins-chaft modificirt wird. Die naturwüchsige Stammgemeinschaft, oder wenn man will, das Heer-denwesen, ist die erste Voraussetzung – die Gemeinschaftlichkeit in Blut, Sprache, Sitten etc – der Aneignung der objektiven Bedingungen ihres Lebens, und der sich reproducirenden und ver/gegenständlichenden Thätigkeit desselben (Thätigkeit als Hirten, Jäger, Ackerbauer etc). 

Die Erde ist das grosse Laboratorium, das Arsenal, das sowohl das Arbeitsmittel, wie das Arbeitsmaterial liefert, wie den Sitz, die Basis des Gemeinwesens. Sie verhalten sich naiv zu derselben als dem Eigenthum des Gemeinwesens und des in der lebendigen Arbeit sich producirenden und reproducirenden Gemeinwesens. Jeder Einzelne verhält sich nur als Glied, als member dieses Gemeinwesens als Eigenthümer oder Besitzer. Die wirkliche An-eignung durch den Proceß der Arbeit geschieht unter diesen Voraussetzungen, die selbst nicht Product der Arbeit sind, sondern als ihre natürlichen oder göttlichen Voraussetzungen erscheinen. 
________________________________________________________  
K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 379f. [MEW 42, S. 376]      




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Dienstag, 21. Oktober 2025

Hysteron proteron, oder Die ursprüngliche Synthesis.

timewgod                         zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Der Grund der Unmöglichkeit, das Selbstbewusstsein zu erklären, ohne es immer als schon vorhanden vorauszusetzen, lag darin, dass, um seine Wirksamkeit setzen zu können, das Subjekt des Selbstbewusstseins immer schon vorher ein Objekt, bloß als solches, gesetzt haben musste: und wir sonach immer aus dem Momente, in welchem wir den Faden an-knüpfen wollten, zu einem vorigen getrieben wurden, wo er schon angeknüpft sein musste. 

Dieser Grund muss gehoben werden. Er ist aber nur so zu heben, dass angenommen wer-de, die Wirksamkeit des Subjektes sei mit dem Objekte in einem Moment synthetisch ver-einigt: Die Wirksamkeit des Subjekts sei selbst das wahrgenommene und begriffene Objekt, das Objekt sei kein anderes, als diese Wirksamkeit des Subjekts, und so seien beide dasselbe.

Nur von einer solchen Synthesis würden wir nicht weiter zu einer vorhergehenden getrie-ben; sie allein enthielte alles, was das Selbstbewusstsein bedingt, in sich, und gäbe einen Punkt, an welchen der Faden des Selbstbewusstseins sich anknüpfen ließe. Nur unter dieser Bedingung ist das Selbstbewusstsein möglich. ...

Es ist die Frage nur, was denn die aufgestellte Synthesis bedeuten möge, was sich darunter verstehen lasse, und wie das in ihr Geforderte möglich sein werde. Wir haben sonach von jetzt an das Gefundene nur noch zu analysieren.

Es scheint, dass die vorgenommene Synthesis statt der Unbegreiflichkeit, die sie heben wollte, uns einen vollkommenen Widerspruch zumutet.
______________________________________________
J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts..., SW III, S. 31f. 


Nota I. - Aber freilich ist nicht der Akt der Selbstbewusstwerdung selber eine Synthesis von zwei vorher Getrennten. Er ist ein Akt. Doch als solcher kommt er im Bewusstsein nicht vor. Im Bewusstsein kommt sein Ergebnis vor: die Entgegensetzung von Ich und Nicht-Ich. In der Vorstellung müssen wir sie nachträglich 'synthetisieren': und so kommt uns das Zweite als das Erste vor. Von nichts anderm als von Vorstellungen aber handelt die Trans-zendentalphilosophie. Die Vorstellung stellt sich sich selber vor. Da steht alles auf dem Kopf.
15. 10. 17

Nota II. - Das Ich findet sich, sobald es sich setzt, vor als sich-selbst voraus gesetzt: Das ist dieselbe Denkfigur, rückwärts betrachtet. - Die Philosophie hat nur mit dem zu tun, was in unserer Vorstellung vorkommt. Das Setzen meiner kommt in meiner Voratellung nicht vor und kann darin nicht vorkommen, weil mein Vorstellen nicht begonnen hat, bevor ich 'mich gesetzt' habe. Sobald ich mit dem Vorstellen beginnen kann, bin ich schon einer der beiden 'Getrennten'. Und doch muss ich mir vorstellen, dass ich schon 'da' war, bevor ich mich ge-setzt habe, denn wer anders könnte mich sonst gesetzt haben? Und gesetzt bin ich, so finde ich mich vor. 

Indes, was 'mich gesetzt' hat, war nicht 'ich', sondern der Akt des Setzens selbst. Subjekt und Objekt fallen erst auseinander, wenn der Satz gesagt ist. Das ursprünglich Reale der Wissenschaftslehre sind nicht Seiende, sondern Handlungen im Moment ihres Geschehens. Ich habe es darum gelegentlich riskiert, sie eine aktualistische Fundamentalontologie zu nennen.
26. 2. 19 

Nota III. -  Es ist immer das Problem der Duplizität der Ansicht: Der eine tut, der andere sieht zu. Der Zuschauer sieht mehr als der Täter - nämlich die vollzogene Synthesis; denn er ist es, der hier schreibt. Dem Leser aber werden beide Ansichten zugleich zugemutet.
 JE   

 

Montag, 20. Oktober 2025

Ursprünglich bestimmt die Mühsal den Tauschwert.

photaq                                                         zu Marxiana 

Zunächst war im 'Tauschwert' nur die - höchst subjektiv geschätzte - Mühsal dargestellt, die es den Verkäufer gekostet hatte, sich die Ware 'anzueignen'; erst wenn die Artbeit selbst all-gemein veräußerlich geworden, kann sie selbst als solche "Substanz" des Tauschwerts wer-den; indem die Zeit ein exaktes Maß hat: denn sie wird zeit weise verkauft und verbraucht; erst wenn der Tauschwert ein exaktes, d. h. objektives Maß gefunden hat, kann sich der Austausch verallgemeinern; weil sich der Austausch tatsächlich verallgemeinert hat und die Arbeit selbst zu erfassen begann, war ein exaktes, objektives (exakt, objektiv = allgemein) Maß erforderlich.
8. 12. 86
 
 

Was heißt wissen?

  stock                                                           zu Philosophierungen Ich weiß  ist ein Akt, der der Reflexion zerfällt in...