Wie verhält sich nun das Übergehen meines reinen Wollens von seinem Bestimmbaren zum Bestimmten? Es ist ohne unser Zutun; denn wir selbst werden erst durch unser Übergehen. (Ich er-scheine mir als bestimmt, mich so oder so zu bestimmen.) Hier liegt die Idee unseres Entstehens in der Zeit. Das Ich erscheint sich hier als bestimmt, sich so zu bestimmen, wie es sich bestimmt, und das Übergehen wird hier nicht als frei, sondern als notwendig ge-dacht. Es ist etwas Gefundenes.
Diese
Bestimmtheit, die mein Hauptcharakter ist, besteht darin, dass ich
bestimmt bin, mich auf eine gewisse Weise zu bestimmen; sie besteht
lediglich in einer Aufgabe zu einem Handeln, zu meinem Sollen. Die
Bestimmung des Menschen ist nicht etwas, das der Mensch sich gibt,
sondern das, wodurch der Mensch Mensch ist.
_________________________________________________________ J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S.148
Nota. - Das ist die einzige Voraus-Bestimmtheit des im ersten, analytischen Gang der Wis-senschaftslehre als Grund aufgefundenen Proto-Ich alias "reines Wollen": Es soll apriori sich bestimmen. Fichtes Wette ist: Daraus müssten sich alle folgenden Bestimmungen her-leiten lassen, durch die der Mensch schließlich zu einem vernünftigen Wesen wurde.
Nicht zu übersehen ist: Das reine Wollen wird hierdurch als Ganzes zu einem ebenso kate-gorischen wie problematischen Sollen. Man mag eine Sittenlehre darin aufsuchen, aber kei-nen Grund gibt es, sie abzusondern. Diese Vorausbestimmung ist nicht ein Teil, sondern die Grundlage des ganzen Systems. Sie ist Ethik, die nicht mehr ist als die Anwendung des ästhetischen Urteils auf die Willensbestimmung.
Bedenke auch: Dieses kategorische Sollen ist keine überhistorische Bestimmung einer hö-heren Gewalt. Sie folgt aus dem einfachen Umstand, dass das Resultat - ein individuelles Ich in einer Reihe vernünftiger Wesen - ja die sachlicheVoraussetzung der transzendentalen Ver-nunftkritik war; nämlich ihres ersten, analytischen Ganges. Die synthetische Rekonstruktion im zweiten Gang muss die Richtigkeit erweisen: nicht, dass sie diesen Zielpunkt erreicht - ein anderer kommt ja nicht in Betracht. Sondern dass sie ihn ohne externe Zusatzbedin-gungen trifft. So muss es ein; etwas anderes kann Sollen an dieser Stelle gar nicht heißen.
JE
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