Sonntag, 24. März 2024

Einbildungskraft!

N. de Staël, Le concert;                     zu Wissenschaftslehre,  zu Geschmackssachen

... die Einbildungskraft ... ist aber nur eine verworrene Darstellung unserer Handlungsmög-lichkeiten, die in dem Dinge ausgedrückt sind; alles, was ich daraus machen könnte. Nun fange ich darauf hin an zu handeln und verändere die Gestalt des Dinges ganz. Was ist[s] denn nun, welches durch die Zeit des Handelns durch dauert? Bloß mein Denken mit der verworrenen Darstellung alles dessen, was ich tun könnte, unter welchem ich aber immer bloß das Eine tue.* Beispiel von einem Baume, von dem man ein Stück nach dem andern abschneiden kann pp.;
*) das für einen gewählten Zweck Tauglichste.
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                                 J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 225

 
Nota. - Bemerkenswert für die ästhetische Betrachtung: die Gestalt der Dinge als Bild meiner Handlungsmöglichkeiten: "alles, was ich daraus machen könnte". Gemeint sind die Dinge, wie sie im praktischen Leben wirklich sind. Das betrifft auch noch die Dinge im kultischen Bild: nicht nur, was ich faktisch, sondern auch, was ich im Glauben daraus machen kann. Aber doch eben ich.
 
So die Kunst unbeirrt bis in die Renaissance. Erst mit dem Aufblühen der Landschafts-malerei kommt die Idee auf, die Dinge so darzustellen, wie sie "an sich selber sind"; ohne Hinblick auf das, was ich daraus machen kann. Das ist ein unnatürlicher Blick, er erfordert eine besondere Konzentration, ein absichtliches Absehen von aller Absicht. 

Dazu eignet sich kein wirkliches Ding eher als die Landschaft. Und wer sich auf die Darstel-lung der Landschaft verlegt, wird früher oder später darauf verzichten, 'Handlungsmöglich-keiten' in ihr zu erspähen, und sich auf die Anschauung des 'rein Ästhetischen' beschränken.

Dass die Kunst zeitweilig ungegenständlich wurde, war kaum zu umgehen, hat sich aber auch bald erschöpft. Wo keine Gegenstände sind, sind auch keine Handlungsmöglichkeiten, und die Abstraktion abstrahiert von gar nichts. Die ästhetische Pointe ist ja eben: an den Gegenständen von den wirklichen Handlungsmöglichkeiten absehen. Ungegenständliche Bilder wirken seit ein paar Jahrzehnten beliebig und rein dekorativ. 
25. 4. 17


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