Es giebt überall kein Dauerndes, weder ausser mir, noch in
mir, sondern nur einen unauf-hörlichen Wechsel. Ich weiss überall von
keinem Seyn, und auch nicht von meinem eigenen. Es ist kein Seyn. –
Ich selbst weiss überhaupt nicht, und bin nicht. Bilder
sind: sie sind das Einzige, was da ist, und sie wissen von sich, nach
Weise der Bilder: – Bilder, die vorüberschweben, ohne dass etwas sey,
dem sie vorüberschweben; die durch Bilder von den Bildern
zusammenhängen, Bilder, ohne etwas in ihnen Abgebildetes, ohne Bedeutung
und Zweck. Ich selbst bin eins dieser Bilder; ja, ich bin selbst dies
nicht, sondern nur ein verworrenes Bild von den Bildern. –
Alle Realität
verwandelt sich in einen wunderbaren Traum, ohne ein Leben, von welchem
geträumt wird, und ohne einen Geist, dem da träumt; in einen Traum, der
in einem Traume von sich selbst zusammenhängt. Das Anschauen ist der Traum; das Denken, – die Quelle alles Seyns und aller Realität, die ich mir einbilde, meines Seyns, meiner Kraft, meiner Zwe-cke, – ist der Traum von jenem Traume.
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J. G Fichte, Die Bestimmung des Menschen, SW II, S. 245
Nota I. - Das Fazit aus der Atheismusdebatte hatten die Rückerinnerungen, Antworten, Fragen
ziehen sollen. Doch Fichte hat sie nicht fertiggestellt. Warum? War ihm
aufgefallen, dass er sich tatsächlich auf dem Weg in den Atheismus
befand? War er davor zurückge-schreckt, das "intellektuelle Gefühl", das
ihm so unerwartet 'das Abolute' alias die Wahrheit verbürgen musste,
als das anzusprechen, was es allenfalls sein konnte: eine ästhetische Idee?
*
Oder
war es die Einsicht, dass seine eigentlichen philosophischen
Spekulationen nicht (ge-druckt) vor das große Publikum gehörten, wo sie
doch nicht verstanden, aber womöglich absichtsvoll missverstanden
wurden? Dass er die Philosophie selbst dem mündlichen Vor-trag vor
wissensdurstigen Hörern vorbehalten und dem großen Publikum nur die Ergeb-nisse seiner Spekulation vortragen dürfe - bevor ein anderer sie entstellen konnte?
Was
davon zutrifft, ist eine philologische Frage, und Philologen haben sie
vielleicht längst geklärt. Fest steht jedenfalls, dass anstelle der Rückerinnerungen... es die Bestimmung des Menschen war, mit der Fichte nach dem Atheismusstreit erstmals wieder an die Öffentlich-keit trat. Ein wesentlicher Ertrag der Rückerinnerungen bleibt erhalten: Der theoretische, 'transzendentale' Teil der Philosophie, genannt Wissenschaftslehre, wird klipp und klar als rein kritisch und eo ipso rein negativ definiert.
Die Bestimmung des Menschen besteht aus drei Teilen. Im ersten, Zweifel überschriebenen,
wird das positive Wissen der rationalistischen Metaphysik dargestellt,
das durchgängig aus Ursachen und Wirkungen zusammengesetzt ist und das
seine erste Ursache notwendig außerhalb des Wissbaren annehmen
muss. Theoretisch findet er dagegen nichts einzuwen-den, aber praktisch.
Es folgt daraus unvermeidlich eine rein passive Lebenslehre - die ihn
allerdings empört. Und das ist ja wohl eine ästhetische Stellungnahme, nicht wahr?
Die Wissenschaftslehre selbst, im zweiten Teil namens Wissen
dargestellt, ist aber kritisch und negativ, sie vernichtet nur den
logischen Schein des dogmatisch-metaphysischen Sys-tems; aber weiter hilft sie nicht. -
Auf diesem Standpunkt finden wir den Verfasser im obigen Textausschnitt.
10. 4. 14
Nota II. - Die Überschrift des obigen Eintrags habe ich nachträglich um ein Un ergänzt. - Mit Heroismus verbindet man allgemein eine Haltung der
Entsagung. Doch die mir be-kannten Vertreter der im Eintrag beschriebenen Weltauffassung zeichnen sich mehr durch ihre Selbstgefälligkeit aus.
23. 4. 14
*Nota III. - Das stelle ich inzwischen anders dar; allerdings nicht in Hinblick auf ein 'real' Absolutes, sondern in Hinblick auf den pp. Denkzwang.
JE,
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