Eigentliche Philosopheme einer Transzendentalphilosophie sind an sich tot und haben gar keinen Einfluß in das Leben, weder guten noch bösen; ebenso wenig als ein Gemälde ge-hen kann. Auch ist es ganz gegen den Zweck dieser Philosophie, sich den Menschen als Menschen mitzuteilen. Der Gelehrte als Erzieher und Führer des Volks, besonders der Volkslehrer, soll sie allerdings besitzen, als Regulativ, als pädagogische Regel, und nur in ihm werden sie insofern praktisch; nicht aber sie ihnen selbst mitteilen, welche sie gar nicht verstehen noch beurteilen können. (Man sehe meine Sittenlehre.) Aber daß er sie treu und mit Eifer anwende, wird dieser gute Wille schon vorausgesetzt, aber nicht etwa durch sie hervorgebracht: ebenso wie bei dem Philosophen von Profession Unpartei-lichkeit, Wahrheitsliebe [und] Fleiß schon vorausgesetzt, nicht aber durch sein Philoso-phieren erst erzeugt wird.
J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen in: Gesamtausgabe Bd. II/5, S. 134
Nota. - Die Wissenschaftslehre ist keine 'praktische' Philosophie und keine Lebensweisheit. Sie ist zuerst rein kritisch und verweist den Menschen, wo sie theoretisch-konstruktiv wird, allenthalben an seine Freiheit. Da sie derart darlegen will, was Vernunft ist und Vernunft eo ipso jedem Menschen anmutet, gibt sie wohl manchen Hinweis darauf, wie die Freiheit sich vernünftiger Weise entscheiden sollte; doch lehren kann sie das niemanden.
So der Fichte der transzendentalphilosophischen Zeit. Er hat im Verlauf des Atheismus-streits mit der Transzendentalphilophie gebrochen und schließlich sogar eine Anweisung zum seligen Leben verfasst. Doch das gehört nicht mehr zu meinem Thema.
JE , 6. 3. 20
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog
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