Mittwoch, 21. Februar 2024

Setzen ist entgegensetzen.

                                           aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Ich sagte dir: jetzt denke dich, und bemerke, dass dieses Denken ein Thun ist. Du musstest, um das verlangte zu vollziehen, dich losreissen von jener Ruhe der Contemplation, von je-ner Bestimmtheit deines Denkens, und dasselbe anders bestimmen; und nur inwiefern du dieses Losreissen und dieses Abändern der Bestimmtheit bemerktest, bemerktest du dich als thätig. Ich berufe mich hier lediglich auf deine eigene innere Anschauung; von aussen dir anzudemonstriren, was nur in dir selbst seyn kann, vermag ich nicht.

Das Resultat der gemachten Bemerkung wäre dieses: man / findet sich thätig, nur inwiefern man dieser Thätigkeit eine Ruhe (ein Anhallen und Fixirtseyn der inneren Kraft) entgegen-setzt. (Der Satz, welches wir hier nur im Vorbeigehen erinnern, ist auch umgekehrt wahr: man wird sich einer Ruhe nicht bewusst, ohne eine Thätigkeit zu setzen. Thätigkeit ist nichts ohne Ruhe und umgekehrt. Ja, der Satz ist allgemein wahr, und wird im folgenden in dieser seiner allgemeinen Gültigkeit aufgestellt werden: Alle Bestimmung, was es nur sey, das bestimmt werde, geschieht durch Gegensatz. Hier sehen wir nur auf den vorliegenden einzelnen Fall.)
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J. G. Fichte, Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre, SW I, S. 531f. 



Nota. -  'Setzen' - lat. ponere, gr. poíein - ist kein Begriff, der sich definieren ließe, indem man andere, vorangegangene Vorstellungen zusammensetzt. Vielmehr muss die Handlung, die gemeint ist, selber vorgestellt, nämlich angeschaut werden. F. gibt keine Begriffsbestim-mung, sondern eine Anweisung, was wie 'einzubilden' ist: "Die Einbildungskraft ist ein Ver-mögen, das zwischen Bestimmung und Nicht-Bestimmung, zwischen Endlichem und Un-endlichem in der Mitte schwebt." Ebenso 'schwebt' das Produkt der Einbildungskraft. Das Produkt der Einbildungskraft aus seinem schwebenden Zustand zu fixieren, fest zu setzen, nennt Fichte bestimmen. Eine Sache - die Vorstellung einer Sache - als diese bestimmen kann ich nur, indem ich sie als nicht-die-andere setze; nämlich beide zugleich und auf einmal. Eigentlich produktiv wird die Einbildungskraft erst, indem sie sich zur Urteilskraft erkräf-tigt. Denn nur als Gesetzte kann die Vorstellung dauern und zum Begriff fortbestimmt werden.
JE,
6. 4. 20



Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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