Mittwoch, 28. Februar 2024

Diskursiv.

veronikazanke                aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Begreifen heißt, ein Denken an ein anderes anknüpfen, das erstere vermittelst des letzteren denken. Wo eine solche Vermittlung möglich ist, da ist nicht Freiheit, sondern Mechanis-mus. Einen Akt der Freiheit begreifen wollen, ist also absolut widersprechend. Eben wenn sie es begreifen könnten, wäre es nicht Freiheit.
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J. G. Fichte,
Das System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW IV, S. 182


Nota. - Das ist das ganze Reich des diskursiven Denkens. 'Da ist nicht Freiheit, sondern Mechanismus.' Sein abtrünniger Schüler Herbart, der von der (transzendentalen) Freiheit gar nichts hielt, sollte es samt und sonders als Metaphysik zusammen fassen: alles Denken, das 'eine Vorstellung an die andere knüpft'.  Daneben oder ihm gegenüber findet er im Denken dasjenige Vorstellen vor, bei dem die jeweilige Vorstellung 'notwendig vom Gefühl des Beifalls oder der Missbilligung begleitet' ist: die Ästhetik. Das umfasst alle Werturteile, die vom ('metaphysischen') Verstand aus gar nicht möglich wären.

Ethik ist nach dieser Auffassung eine Unterabteilung der Ästhetik: diejenige, die Werturteile über Willensakte fällt. Wohl hat der "Eleat" Herbart in seiner Metaphysik die radikalst mög-liche Gegenposition zur Transzendentalphilosophie eingenommen; aber mit seiner ästheti-schen Ethik hat er nachträglich der Wissenschaftslehre einen besseren Abschluss anerfun-den, als Fichte selbst ihn fand.

Freiheit konnte Herbart als orthodoxer Lutheraner im ethischen Bereich schon gar nicht zugeben: "Vernunft kommt von vernehmen." (Etymologisch trifft das zu.) Für Fichte waren Sittlichkeit und Willensfreiheit Wechselbegriffe. In diesem einen Punkt aber waren sie sich einig: Freiheit ist die Grenze des Begreifens. 
JE, 8. 5. 18

 


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