aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Der Grund liegt nicht innerhalb des Begründeten, mithin außerhalb der Erfahrung, und die Philosophie, die den Grund der Erfahrung aufstellt, erhebt sich über dieselbe. Physik ist der Umkreis der Erfahrung; die Philosophie, die sich drüber erhebt, ist also Metaphy-sik. In der Philosophie kommt kein Faktum, keine Erfahrung vor. Dieser Satz findet in der neueren Zeit Widerspruch, wo man von Philosophie aus Tatsachen spricht. Die Phi-losophie und alles, was in ihr vorkommt, ist Produkt des reinen Denkvermögens; sie ist nicht selbst Faktum, sondern sie soll das Faktum, die Erfahrung, begründen. /
Wenn
die Philosophen, die sich auf Tatsachen berufen, Kantianer sein wollen,
so ist dies doppelt schlimm, denn Kant sagt: "er frage nach der
Möglichkeit der Erfahrung".* Wenn
ich aber nach der Möglichkeit einer Sache frage, so ist mir zwar die
Sache bekannt, aber der Grund der Möglichkeit dieser Sache liegt
außerhalb der Sache selbst. Also schon in Kants Buchstaben liegt, dass
die Philosophie sich über die Erfahrung erheben soll.
Die Frage, wie man dazu
komme, sich über die Erfahrung zur Philosophie zu erheben, nahm das
ganze Recht zu philosophieren, d. h. das ganze Verstehen der Vernunft in
An-spruch, zufolge dessen man von dem Zufälligen einen Grund suchen
muss. In der Philo-sophie soll gezeigt werden, wie man dazu komme, mithin
ist sie ein Selbstbegründen.
Also die erste und
höchste Bedingung alles Philosophierens ist, zu bedenken, dass man das
lautere leere Nichts antreffe, wenn man nicht alles das, worüber
räsonniert wird, aus sich selber hervorbringt. Philosophische Ideen
können nur im Geiste erzeugt werden, geben kann man sie nicht.
*) [z. B. KrV, B 195]
_____________________________________________________________________ J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, II. Einleitung, Hamburg 1982, S. 13 f.
Nota. - Wenn
aber Begriffe ohne Anschauung blind sind und der Grund der Erfahrung
begriffen werden soll, so muss der Grund der Erfahrung angeschaut
werden; in einer An-schauung also, die selber nicht Erfahrung, nämlich
nicht sinnlich ist. Bleibt wohl nur eine intellektuelle Anschauung übrig.
JE,11. Juni 2016
Nota - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE
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