Der Inhalt der gesamten Wissenschaftslehre lässt sich kurz in folgenden Worten vortra-gen:
Dass ich mir überhaupt etwas' bewusst werden kann, davon liegt der Grund in mir, nicht in den Dingen. Ich bin mir Etwas' bewusst;
das einzige Unmittelbare, dessen ich mir be-wusst bin, bin ich selbst;
alles andre macht die Bedingungen meines Selbstbewusstseins aus.
Vermittelst des Selbstbewusstseins mache ich mir die Welt bewusst. -
Ich bin mir Objekt des Bewusstseins nur im Handeln. Wie ist die Erfahrung möglich? heißt: Wie kann ich mir meines Handelns bewusst werden? Auf die Beantwortung dieser Frage geht alles aus, und wenn sie beantwortet ist, so ist unser System geschlossen.
Bis jetzt haben wir
dies gefunden: Ich muss, wenn ich mich als handelnd setzen soll, mir
irgend eines Zweckbegriffs bewusst werden. Mit
der Beantwortung der Frage: Wie ist ein Zweckbegriff möglich?
beschäftigen wir uns noch. Bisher haben wir gesehen, wie ein Be-griff
überhaupt möglich sei. Eigentlich ist von allem, was wir bisher
aufgestellt haben, nichts ganz möglich, bis wir zu Ende sind, denn wir
haben noch immer Bedingungen der Möglichkeit aufzustellen. Die
Möglichkeit des Einzelnen lässt sich nur aufzeigen, wenn die Möglichkeit
des Ganzen dargetan ist.
Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge/wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.
Wir sind so verfahren:
Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus entsteht ein Ge-fühl;
ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch ideal. Die ideale
Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt Anschauung übrig. Gefühl
und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im Gefühle muss eine
Veränderung stattfinden, dies ist Bedingung des Be-wusstseins. Ich bin in
der Beschränktheit beschränkt, werde also auch in der Anschauung Y
beschränkt. Aus jeder Beschränkung entsteht ein Gefühl, mithin müsste
auch hier ein Gefühl entstehen, das Gefühl des Denkzwangs, und mit
diesem [die]
Anschauung meiner selbst. Eine Anschauung, in der das Anschauende
selbst gesetzt wird, die auf das An-schauende bezogen wird, heißt ein
Begriff vom Dinge, hier von Y.
Es war schon im vorigen
Paragraphen die Frage nach dem Vereinigungsgrund des Be-griffs mit dem
Ich; oder: Wie komme ich dazu zu sagen: Alles ist mein Begriff?
Das Ich war bisher ein
Fühlendes, es müsste auch das Begreifende sein; der Begriff müss-te mit
dem Fühlen notwendig vereinigt sein, so dass eins ohne das andere kein
Ganzes ausmachte. Im Selbstgefühl ist Gefühl und Begriff vereinigt. Ich
bin gezwungen, die Dinge so anzusehen, wie ich sie ansehe; wie ich mich
selbst fühle, so fühle ich diesen Zwang mit.
So ist bisher das Ich
als das Begreifende selbst begriffen worden. Wir wollen jetzt weiter
gehen: Ich kann mich als Ich nur setzen, in wiefern ich mich tätig
setze. - Da das Gefühl nur Beschränkung sein soll, so kann ich mich als
Ich nicht fühlen, wenn nicht noch eine andere Tätigkeit hinzukommt.
Mithin lässt sich aus dem Gefühl allein das Bewusstsein nicht erklären,
also müsste ich mich in dem Begriffe des Y setzen als tätig. Das Ideale
gibt sich dem Gefühle hin; wie / dies zugehe, ist besonders Gegenstand unserer gegenwärti-gen Untersuchung.
Ich setze mich als Ich heißt: ich
setze mich als tätig. Das Materiale der Tätigkeit (was dabei angeschaut
wird) ist ein Übergehen von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. (Das
For-male ist die Selbstaffektion, das gehört nicht hie[r]her.)
Das Ich soll hier im Begriffe tätig gesetzt werden, als von einer
gewissen Unbestimmtheit zu einer gewissen Bestimmheit übergehend.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101f.
Nota. - Nur weil der Mensch schlechterdings in der Welt, und weil er dort handelnd ist, fühlt er, denn in der Welt wird sein Handeln schlechthin beschränkt durch den Wider-stand der Dinge, auf die es trifft. Er fühlt in der Beschränkung seines Handelns den Ge-genstand und sich selbst.
Dieses Fühlen ist der Stoff allen Bewusstseins.
Aber es ist nicht das Bewusstsein. Dafür muss das Vorstellen des Gefühls hinzukommen: das Bestimmen dessen, was es (mir) bedeutet. Das setzt voraus, dass im Treffen auf den Widerstand mein Handeln noch nicht erschöpft war; es muss also ein Quantum Tätigkeit angenommen werden, das übriggeblieben ist und nun auf das Gefühl selber als seinen Gegenstand gewendet wird.
Die als der Tätigkeit zugrundeliegend angenommene 'prädikative Qualität' muss also als Einbildungskraft aufgefasst werden, sie selber unbegrenzt und daher quantifizierbar ist. Sie fasst die Bestimmtheit des aus der Tätigkeit resultierenden Gefühls in ein - ruhendes - Bild.
Die als Ruhe angeschaute Tätigkeit ist der Begriff.
JE, 12. 10. 18
Nota - Das
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wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE
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