Samstag, 9. Dezember 2023

Die Mutter aller Waren.

supplement-insider                                         aus Marxiana  

Die eigenthümliche Natur dieser spezifischen Waare, des Arbeitsvermögens, bringt es mit sich, daß mit der Abschliessung des Contracts zwischen Käufer und Verkäufer die ver-kaufte Waare nicht wirklich als Gebrauchswerth in die Hände des Käufers übergegangen ist. Der Tauschwerth dieser Waare, gleich dem jeder andren Waare, ist bestimmt, bevor sie in Circulation tritt, weil sie als Vermögen, als Kraft verkauft wird und eine bestimmte Ar-beitszeit erheischt war, um dieses Vermögen, diese Kraft zu produciren.

Der Tauschwerth dieser Waare existirt daher vor ihrem Verkauf, aber ihr Gebrauchswerth besteht erst in der nachträglichen Kraftäusserung. Die Veräusserung der Kraft und ihre wirkliche Aeusserung, d. h. ihr Dasein als Gebrauchswerth fallen daher der Zeit nach aus einander. Es verhält sich wie mit einem Hause, dessen Gebrauch mir für einen Monat ver-kauft ist. Der Gebrauchswerth ist mir hier erst geliefert, nachdem ich das Haus einen Mo-nat bewohnt habe. So ist mir der Gebrauchswerth des Arbeitsvermögens erst geliefert, nachdem ich es verbraucht habe, in der That für mich habe arbeiten lassen. 

Bei solchen Gebrauchswerthen aber, wo die formelle Entäusserung der Waare durch den Verkauf und das wirkliche Ueberlassen ihres Gebrauchswerths an den Käufer der Zeit nach aus einander fallen, wirkt, wie wir früher gesehn, das Geld des Käufers meist als Zahlungsmittel. Das Arbeitsvermögen wird für den Tag, die Woche u. s. w. verkauft, aber es wird erst bezahlt, nachdem es während eines Tags, einer Woche u. s. w. consumirt wor-den ist. In al-len Ländern von entwickeltem Capitalverhältniß wird das Arbeitsvermögen erst bezahlt, nachdem es functionirt hat. Ueberall schießt daher der Arbeiter dem Capitali-sten den Gebrauch seiner Waare vor, läßt sie vom Käufer consumiren, bevor er / ihren Tauschwerth bezahlt erhält, creditirt sie. 

In Zeiten von Crisen und selbst bei einzelnen Bankerutten zeigt sich daß dieß beständige Creditiren der Ar- beiter an die Capitalisten, das aus der besondren Natur des verkauften Gebrauchswerths entspringt, kein leerer Wahn ist. Indeß ändert es an der Natur des Waa-renaustauschs selbst nichts, ob Geld als Kaufmittel oder als Zahlungsmittel functionirt. Der Preiß des Arbeitsvermögens wird im Kauf contraktlich festgesetzt, obgleich er erst später realisirt wird. Diese Form der Zahlung ändert ebenso wenig daran, daß diese Preiß-bestimmung sich auf den Werth des Arbeitsvermögens bezieht und weder auf den Werth des Products, noch auf den Werth der Arbeit, die als solche überhaupt nicht Waare ist. 
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K. Marx, Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 6f.

 

Nota. - Wo alles, was getauscht wird, durch Arbeit hergestellt wurde, wird natürlich die Arbeit zum Maßstsab des Austauschs. Und andererseits: Warum sollte einer das, was von Natur reichlich umherliegt, gegen etwas eintauschen wollen - sollte es gar durch Müh' und Arbeit selber herstellen wollen? Wenn etwas herrenlos herumliegt, aber nur selten und gut versteckt, dann ist das Suchen und Auffinden selbst die Arbeit, die es zu einem produc-tum macht. Und wird die Nachfrage nach ihm allgemein, wird es bald nicht mehr gesucht, sondern erarbeitet werden.

Gold ist selten, gut versteckt und wird überall nachgefragt - aber nur von denen, die es sich leisten können, weil sie sonst alles haben. Man muss es immer noch suchen, denn die Versuche, es durch Arbeit herzustellen, sind alle gescheitert. Es eignet sich daher zum all-gemeinen Tauschmittel. 

Was aber, wenn alle etwas nachfragen, das zwar überall vorhanden, aber knapp ist und sich nicht durch Arbeit vermehren lässt - reine Luft und sauberes Wasser etwa? Wenn zu-gleich Arbeit reichlich vorhanden ist, aber kaum noch nachgefragt wird, weil die Maschi-nen fast alles alleine machen? 

Dann kann Arbeit auf Dauer nicht allgemeines Maß bleiben und vor allem Arbeit nicht mehr als etwas Allgemeines gelten - als 'Arbeit überhaupt', 'gesellschaftlich notwendige', 'abstrakt-allgemeine' Arbeit; und also als Wert. 

Und wenn es schließlich nur noch je-spezifische Arbeiten gibt, wird jede Arbeit einzeln gewertet werden müssen: Die eine, weil kaum einer sie machen kann, die andere, weil kaum einer sie machen will. 
JE, 23. 9. 20


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