Mittwoch, 27. Dezember 2023

Wahr sein.

Jens Goetzke  / pixelio.de                                                             zu Philosophierungen

"…(das und das und das…) ist zweifellos wahr." – Die Frage war aber nicht, was alles wahr sein mag. Die Aufzählung könnte bis ans Ende der Zeit nicht abgeschlossen wer-den. Die Frage ist vielmehr, woran man erkennt, ob etwas wahr ist.

[Man könnte sich Wahrheit als ein universell vorkommendes Stöffchen vorstellen, das den Dingen (Gegenständen, Sachverhalten, Gedanken…?) in unterschiedlich starker Dosis "beigegeben ist".* Dann wäre Wahrheit ein Seiendes neben andern Seienden, denen es sich mitteilt oder nicht, und die ihm gegenüber folglich auch gleichgültig sein könnten: zugleich weder wahr noch unwahr; und das wäre ein Widersinn.]

Unter Wahrheit ist also nur der Modus, die Qualitas des Wahrseins zu verstehen. Die Sa-chen "stehen" in diesem Modus oder nicht, tertium non datur. Es ist der Modus des Gel-tens: Nur Aussagen können gelten oder "wahr sein", Dinge nicht. Aussagen über Dinge können wahr sein oder nicht.

"Wahr ist eine Aussage, wenn sie mit dem Sachverhalt übereinstimmt." – Das ist eine rein verbale Bestimmung. Sie hat keinen eigenen Inhalt. Denn was soll Übereinstimmung - 'ad-aequatio' – bedeuten? Das war doch gerade die Frage!

Um etwas zu bedeuten, bedürfte sie eines Dritten, eines Kriterion, eines Prüfsteins – und der wäre dann "das Wahre".

Gibt es einen solchen Prüfstein? - Offenbar nicht.

Muss es ihn geben, damit etwas wahr oder unwahr sein kann? - Offenbar.

Muss alles wahr oder unwahr sein? – Die Frage stellen heißt sie beantworten.
in 2007

*) bei Plato méthexis, Teilhabe

 

Wahr ist, was ohne alle Bedingung als Urteilsgrund gilt. Doch wie soll ich das wissen? Um mir ein Unbedingtes vorstellen zu können, müsste ich selber unbedingt sein. Doch wenn ich ein Unbestimmtes denken wollte, müsste ich es mir bar aller Bestimmtheit denken; denken heißt aber bestimmen. 

Ich kann mir den unbedingten Urteilsgrund nicht als Obiectivum, nicht als daseiend den-ken. Ich kann ihn nur als unbedingte Tätigkeit denken: als handeln aus Freiheit. Das ist, was Fichte Tathandlung nennt. Sie ist Bedingung allen Bestimmens, oder richtiger gesagt: als solche muss ich sie denken. Auffinden lässt sie sich nicht.
7. 4. 21

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