Der
Grund der Unmöglichkeit, das Selbstbewusstsein zu erklären, ohne es
immer als schon vorhanden vorauszusetzen, lag darin, dass, um seine
Wirksamkeit setzen zu kön-nen, das Subjekt des Selbstbewusstseins immer
schon vorher ein Objekt, bloß als
solches, gesetzt haben musste: und wir sonach immer aus dem Momente, in
welchem wir den Fa-den anknüpfen wollten, zu einem vorigen getrieben
wurden, wo er schon angeknüpft sein musste.
Dieser Grund muss gehoben werden. Er ist aber nur so zu heben, dass angenommen werde, die Wirksamkeit des Subjektes sei mit dem Objekte in
einem Moment synthetisch vereinigt: Die Wirksamkeit des Subjekts sei
selbst das wahrgenommene und begriffene Objekt, das Objekt sei kein
anderes, als diese Wirksamkeit des Subjekts, und so seien beide
dasselbe.
Nur
von einer solchen Synthesis würden wir nicht weiter zu einer
vorhergehenden ge-trieben; sie allein enthielte alles, was das
Selbstbewusstsein bedingt, in sich, und gäbe einen Punkt, an welchen der
Faden des Selbstbewusstseins sich anknüpfen ließe. Nur unter dieser
Bedingung ist das Selbstbewusstsein möglich. ...
Es
ist die Frage nur, was denn die aufgestellte Synthesis bedeuten möge,
was sich darunter verstehen lasse, und wie das in ihr Geforderte möglich
sein werde. Wir haben sonach von jetzt an das Gefundene nur noch zu
analysieren.
Es
scheint, dass die vorgenommene Synthesis statt der Unbegreiflichkeit,
die sie heben wollte, uns einen voll- kommenen Widerspruch zumutet.
______________________________________________
J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts..., SW III, S. 31f.
Nota I. -
Aber freilich ist nicht der Akt der Selbstbewusstwerdung selber eine Synthesis von zwei vorher Getrennten. Er ist ein Akt. Doch als solcher kommt er im Bewusstsein nicht vor. Im Bewusstsein kommt sein Ergebnis vor: die Entgegensetzung von Ich und Nicht-Ich. In der Vorstellung müssen
wir sie nachträglich 'synthetisieren': und so kommt uns das Zweite als
das Erste vor. Von nichts anderm als von Vorstellungen aber handelt die
Transzendentalphilosophie. Die Vorstellung stellt sich sich selber vor.
Da steht alles auf dem Kopf.
15. 10. 17
Nota II. - Das Ich findet sich, sobald es sich setzt, vor als sich-selbst voraus gesetzt:
Das ist dieselbe Denkfigur, rückwärts betrachtet. - Die Philosophie hat
nur mit dem zu tun, was in unserer Vorstellung vorkommt. Das Setzen
meiner kommt in meiner Vorstellung nicht vor und kann darin nicht
vorkommen, weil mein Vorstellen nicht begonnen hat, be-vor ich 'mich gesetzt' habe. Sobald ich mit dem Vorstellen beginnen kann, bin ich schon einer der beiden
'Getrennten'. Und doch muss ich mir vorstellen, dass ich schon 'da'
war, bevor ich mich gesetzt habe, denn wer anders könnte mich sonst
gesetzt haben? Und ge-setzt bin ich, so finde ich mich vor.
Indes, was 'mich gesetzt' hat, war nicht 'ich', sondern der Akt des Setzens selbst. Subjekt und Objekt fallen erst auseinander, wenn der Satz gesagt ist. Das ursprünglich Reale der Wissenschaftslehre sind nicht Seiende, sondern Handlungen im Moment ihres Gesche-hens. Ich habe darum gelegentlich riskiert, sie eine aktualistische Fundamentalontologie zu nennen.
JE, 26. 2. 19
Montag, 4. Dezember 2023
Hysteron proteron, oder Die ursprüngliche Synthesis.
timewgod aus Philosophierungen
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