Der
elementare Fehler in dem ganzen Ansatz ist... nein, nicht erst, dass er
soziale Klugheit für Moralität hält - das ist nur abgeleitet. Zugrunde
liegt vielmehr die Auffassung, als sei Moralität so etwas wie Verstand.
Nämlich so etwas wie Logik: das Höhere begründet das Niedere, das Allgemeine das Besondere,
das Prinzip seine Ableitungen, der Zweck das Mittel. Moralisches
Handeln bestünde im Zuordnen einzelner Fälle zu einer je anzuwen-denden
Norm.
Das ist immernoch besser, als würde unter Moral eine Summe
einzelner Fälle verstanden und bestünde in einer Art empirisch
auszumachenden gemeinsamen Nenners. Aber weni-ger falsch ist es nicht.
Moral kommt von lat. mos, mores - Sitte, Gebräuche. Das griechische ethos bedeutet das-selbe; Ethologie heißt daher die Verhaltenskunde bei Mensch und Tier.
Historisch
waren sie der Ursprung dessen, was man heute unter Sittlichkeit
versteht; sie bestimmen, was sich gehört und was sich nicht gehört. Dass
ein Unterschied, gar ein Ge-gensatz entstehen kann zwischen dem, was
sich in einer historisch gewachsenen Gemein-schaft gehört, und dem, ich
für meine höchstpersönliche Pflicht erkenne, ist eine verhält-nismäßig
junge Erkenntnis, und sie beruht auf einer Erfahrung, die erst in komplexen mo-dernen, nämlich bürgerlichen Gesellschaften so allgemein wurde, dass sie einen besonde-ren Namen nötig machte. Antigone war ein Einzelfall und als solcher tragisch.
Der Kon-flikt zwischen gesellschaftlichen Normen und dem, was mir mein
Gewissen gebietet, ist schon eine banale bürgerliche Standardsituation.
Weil nämlich das eigenverantwortliche, autonome Subjekt zur selbstverständlichen Existenzbedingung geworden ist: Es muss selber entscheiden.
Die Sprache unterscheidet noch immer nur zwischen positiven herrschenden Moralen und einer problematischen Moralität. Die Verwirrung ist daher groß. Es kann ja vorkom-men und tut es oft genug,
dass der ganz außermoralische Blick auf meinen Vorteil mir rät, dem
Gebot der herrschenden Moral zu folgen und die Stimme meines Gewissens
zu überhören.
Wer
oder was ist aber mein Gewissen? Es ist das Bild, das ich mir von mir
selbst gemacht habe und um dessentwillen ich mich achte. Der Autor sagt es selbst: Die Maschine kann sich nicht verantworten - nämlich nicht vor sich.
Nun
kann ich keinen Andern achten, wenn ich mich selbst nicht achte - und
auf einmal verkehren sich die Seiten: Moralität wird zur Bedingung
sozialer Klugheit. Und letztere muss der Maschine einprogrammiert werden, weil sie diese Bedingung selber nicht hat.
Das
spielt in obigem Text freilich alles gar keine Rolle. Lesen Sie nochmal
nach: Vor Ge-wissensentscheidungen stellt er seine Maschinen
nirgendwo. Es geht überall nur um Nütz-lichkeitserwägungen in mehr oder
weniger allgemeiner Hinsicht. So dass er mit seinem Ding problemlos
durchgehen könnte, wenn er nur... bescheiden genug wäre, von Moral nicht zu reden.
Doch tut er es ganz ungeniert, und mit ihm Kreti und Plethi. Es passt, aber
das ist keine Rechtfertigung, perfekt in eine Zeit, wo es neben Fakten
noch alternative Fakten gibt und keiner es so genau nimmt; aber ein
jeder zusieht, wo er bleibt.
Nota. - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen