Der gewöhnlichen Anschauung erscheinen [die] Vertheilungsverhältnisse als Naturver-hältnisse, als Verhältnisse, die aus der Natur aller gesellschaftlichen Produktion, aus den Gesetzen der menschlichen Produktion schlecht-hin entspringen. Es kann zwar nicht ge-leugnet werden, daß vorkapitalistische Gesellschaften andre Vertheilungsweisen zeigen, aber diese werden dann als unentwickelte, unvollkommene und verkleidete, nicht auf ihren rein-sten Ausdruck und ihre höchste Gestalt reducirte, anders gefärbte Weisen jener naturgemä-ßen Vertheilungsverhältnisse gedeutet.
Das einzig Richtige in dieser Vorstellung ist dies: Gesellschaftliche Produktion irgend einer Art (z. B. die der naturwüchsigen indischen Gemeinwesen oder die des mehr künstlich ent-wickelten Kommunismus der Peruaner) vorausgesetzt, kann stets unterschieden werden zwischen dem Theil der Arbeit, dessen Produkt unmittelbar von den Producenten und ihren Angehörigen individuell konsumirt wird, und – abgesehn von dem Theil der der produktiven Konsumtion anheimfällt – einem andern Theil der Arbeit, der immer Mehr-arbeit ist, dessen Produkt stets zur Befriedigung allgemeiner gesellschaftlicher Bedürfnisse dient, wie immer dies Mehrprodukt vertheilt werde, und wer immer als Repräsentant dieser gesellschaftlichen Bedürfnisse fungire. Die Identität der verschiednen Vertheilungsweisen kommt also darauf hinaus, daß sie identisch sind, / wenn man von ihren Unterscheidungen und specifischen Formen abstrahirt, nur die Einheit in ihnen, im Gegensatz zu ihrem Un-terschied festhält.
Weiter gebildetes, mehr kritisches Bewußtsein gibt jedoch den geschichtlich entwickelten Charakter der Vertheilungsverhältnisse zu, hält dafür aber um so fester an dem sich gleich-bleibenden, aus der menschlichen Natur entspringenden, und daher von aller geschichtli-chen Entwicklung unabhängigen Charakter der Produktionsverhältnisse selbst.
Die wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise beweist dagegen um-gekehrt, daß sie eine Produktionsweise von besondrer Art, von specifischer historischer Bestimmtheit ist; daß sie, wie jede andre bestimmte Produktionsweise, eine gegebne Stufe der gesellschaftlichen Produktivkräfte und ihrer Entwicklungsformen als ihre geschichtli-che Bedingung voraussetzt: eine Bedingung, die selbst das geschichtliche Resultat und Produkt eines vorhergegangnen Processes ist, und wovon die neue Produktionsweise als von ihrer gegebnen Grundlage ausgeht; daß die dieser specifischen, historisch bestimmten Produktionsweise entsprechenden Produktionsverhältnisse – Verhältnisse, welche die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Lebensproceß, in der Erzeugung ihres gesellschaft-lichen Lebens eingehn – einen specifischen, historischen und vorübergehenden Charakter haben; und daß endlich die Vertheilungsverhältnisse wesentlich identisch mit diesen Pro-duktionsverhältnissen, eine Kehrseite derselben sind, sodaß beide denselben historisch vorübergehenden Charakter theilen.
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K. Marx, Das Kapital III, MEGA II.15; S. 849f. MEW 25, S. 884f.
Nota.- Der Begriff des Mehrwerts wurde gebraucht, um die historische Realität des Kapi-tals zu verstehen; aber der Begriff des Mehrwerts setzt den Begriff des Werts voraus. Mit andern Worten, die Politische Ökonomie mag den Wertbegriff gebrauchen, wozu sie mag; für die Kritik der Politischen Ökonomie hat er nur einen Sinn, wo es um das Verständnis des Kapitalverhältnisses geht, ansonsten ist er Schall und Rauch.
JE 13. 1. 16
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