Freitag, 27. Oktober 2023

Ursprung der Dialektik.

Caravaggio                                                                                                zu Philosophierungen

'Dialektisch' muss das kritische Denken verfahren wegen der "ursprünglichen Duplizität": Ich kann mich als Subjekt nicht setzen, ohne mich zugleich als Objekt zu setzen (oder umgekehrt). Auf alles, was ich 'an sich' tue, muss ich zugleich reflektieren, weil es anders für mich nicht werden kann. 

Das ist inzwischen eine Trivialität, aber die Wissenschaftslehre ist in gewisser Weise nichts anderes als eine endlose Variation zu diesem Thema: Wer synthetisieren will, muss zuvor analysieren. Die verwirrende Schwierigkeit der Wissenschaftslehre entsteht aus dem unab-lässigen Wechsel zwischen beiden Perspektiven. (Manchmal verheddert sich Fichte an-scheinend selber und stellt die Sache umständlicher dar als nötig.)

Fichte hat den Ausdruck Dialektik nie für seine Methode in Anspruch genommen, und sein Nachfolger auf dem Berliner Lehrstuhl, der ihn zum Arkanum seines totalitären Sy-stems machte, hat aus Fichtes 'analytisch-synthetischer Methode' gerade das entfernt, was den Ausdruck Dia lektik rechtfertigen könnte: das treibende Moment des schlechterdings wollenden Subjekts, und an seine Stelle die 'Selbstbewegung des Begriffs' gesetzt - der zwar hier in dieser, dort in jener Bestimmung 'erscheint', aber doch immer er selber, im-mer Begriff bleibt; immer Objektivum.

In einer rationellen Dialektik tritt der Begriff dagegen stets nur als eine Vorstellungsweise des wollenden Subjekts auf, so wie die Anschauung auch, und wenn sie miteinander 'die Stelle wechseln' können, so nur, weil jenes seine Stellung wechselt.

27. 7. 17
 
Nachtrag. "Bloße Reflexionsphilosophie" hat Hegel die Wissenschaftslehre genannt. Das hat ihm nicht gereicht und daher hat er, was er Dialektik nannte, selbst nicht begriffen: Sie entsteht aus, sie besteht in der Wendung des Vorstellens gegen sich selbst, ich-mich: aus dem Reflektieren. Stets ist das dynamische Prius das Wollen, und begreifen ist sekundär; dieses ist real, jenes ideal. Bestimmen ist nicht anders möglich denn als Unterwerfung der ersten semantischen Ebene unter die zweite.

In jedem Vorstellungsakt geschieht, sobald er bestimmt werden soll, diese Wendung des Wollens gegen sich, die Verdoppelung meiner als eine Entäußerung; Bestimmung alsVer-fremdung. Jedes Setzen trägt als eine ursprüngliche Syn thesis deren Zerfall schon in sich. Man erkennt es daran, dass sie nach dem Zerfall überhaupt erst als eine solche wahrnehm-bar wurde: nämlich so, als wäre die Analysis vor ihr da gewesen, und sie sei ein Ergebnis - da das Setzen doch der Ursprung war.
22. 11. 21

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