Das ist zwar nicht falsch, aber auch nicht richtig: Es steht an der falschen Stelle. Die Wis-senschaftslehre stellt nicht dar, wie 'das uns heute gegebene System unseres Wissens' - und das hieße doch zuerst und vor allem andern: das System unserer Begriffe - tatsächlich entstanden ist. Sie entwirft vielmehr ein Modell - 'Schema' - der Vernunft und bezeichnet den Ort, den - nicht dieser oder jener, sondern: - der Begriff in ihrem Fortgange nimmt. Und zwar, wie in jedem theoretischen Modell, jenseits der Zeit: Wenn hier von 'erstem' und 'zweitem' die Rede ist, wird nicht eine Abfolge in der Zeit bezeichnet, sondern eine 'Dependenz', ein sachliches Bedingungs verhältnis: Ohne Anschauung kann ein Begriff nicht sein, er wäre ein leere Hülse oder besser, ein flatus voci. Wahr ist aber eben auch, dass eine Anschauung, die nicht begriffen wird, keinen Fortschritt auf dem Wege der Vernunft bedeutet. 'Begriff ohne Anschauung ist leer, Anschauung ohne Begriff ist blind.'
Für Fichte beginnt das Begreifen mit dem Anschauen selbst, denn angeschaut werden nicht Dinge, sondern die Gefühle, die von Dingen bedingt wurden, indem sie meiner Tätigkeit Widerstand leisteten: Die Anschauung als ursprünglicher Akt der Einbildungs-kraft entwirft mir ein Bild von dem Ding. Ich begreife das Bild, indem ich es einbildend bestimme: durch Entgegensetzen.
Wie man sich so etwas in einem wirklichen denkenden Kopf vorstellen muss, untersucht die Hirnphysiologie. Zum Was des Denkens hat sie ja keinen Zugang.
12. 10. 21
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