Mittwoch, 20. September 2023

War der Wert schon vor dem Tausch?

 zisch-stimme                                                                                 aus Marxiana

Die Waare, als die elementarische Form des bürgerlichen Reichthums, war unser Aus-gangspunkt, die Voraussetzung für die Entstehung des Capitals. Andrerseits erscheinen Waaren jetzt als das Product des Capitals.

Dieser Cirkellauf unsrer Darstellung entspricht sowohl der historischen Entwicklung des Capitals, für welche ein Waarenaustausch, Waarenhandel, eine der Entstehungsbedingun-gen bildet, die sich selbst aber auf der Grundlage verschiedner Productionsstufen bildet, denen allen gemein ist, daß in ihnen die capitalistische Production noch gar nicht oder nur noch sporadisch existirt. Andrerseits ist der entwickelte Waarenaustausch und die Form der Waare als allgemein nothwendige gesellschaftliche Form des Products selbst erst das Re-sultat der capitalistischen Productionsweise. /

Betrachten wir andrerseits die Gesellschaften entwickelter capitalistischer Production, so erscheint in ihnen die Waare sowohl als die beständige elementarische Voraussetzung des Capitals wie andrerseits als das unmittelbare Resultat des capitalistischen Productionspro-zesses.

Waare und Geld sind beide elementarische Voraussetzungen des Capitals, entwickeln sich aber erst zu Capital unter gewissen Bedingungen. Capitalbildung kann nicht stattfinden, ausser auf Grundlage der Waarencirculation, (welche Geldcirculation einschließt), also auf einer schon gegebnen, zu einer gewissen Umfang gediehenen Stufe des Handels, während umgekehrt Waarenproduction und Waarencirculation zu ihrem Dasein keineswegs die ca-pitalistische Productionsweise voraussetzen, vielmehr, wie ich früher schon auseinander-gesetzt, auch „vorbürgerlichen Gesellschaftsformen angehört“. Sie sind historische Vor-aussetzung der capitalistischen Productionsweise.

Andrerseits aber wird die Waare erst die allgemeine Form des Products, muß alles Product die Form der Waare annehmen, ergreifen Kauf und Verkauf nicht nur den Ueberfluß der Production, sondern ihre Substanz selbst, und treten die verschiednen Productionsbedin-gungen selbst umfassend als Waaren auf, die aus der Circulation in den Productionspro-ceß eingehn, nur auf Grundlage der capitalistischen Production. Wenn die Waare daher einerseits als Voraussetzung der Capitalbildung, erscheint andrerseits die Waare, so weit sie allgemeine elementarische Form des Products ist, wesentlich als das Product und Re-sultat des kapitalistischen Productionsprocesses. Producte nehmen auf frühren Produc-tionsstufen theilweise die Form der Waare an. Das Capital dagegen producirt sein Product nothwendig als Waare.

Im Maaß der Entwicklung der capitalistischen Production, i. e. des Capitals, realisiren sich daher auch die allgemeinen über die Waare entwickelten Gesetze, z. B. die den Werth be-treffenden, in den verschiednen Formen der Geldcirculation. 

Es zeigt sich hier, wie selbst früheren Productionsepochen angehörige ökonomische Ca-tegorien auf Grundlage der capitalistischen Productionsweise einen spezifisch verschied-nen, historischen Charakter erhalten.

_______________________________________________________________            K. Marx, Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 24f.


Nota. - "...auch die allgemeinen über die Ware entwickelten Gesetze, z. B. die den Wert betreffenden" - hier ist Marx unterlaufen, was Kenner eine Hegelsch-platonische Fehl-leistung nennen würden. 

Die Preise folgen dem Spiel von Angebot und Nachfrage, sagen die von Marx so genannten Vulgärökonomen; sie schwanken hin und her, nach oben und unten. Gewiss, sagt  Marx, aber sie schwanken nicht frei nach Laune, sondern um eine Mittellinie. Was ist die Mittel-linie? Der Durchschnitt. Wer oder was bestimmt den Durchschnitt? Der Wert, nämlich die Reproduktionskosten der Arbeitskraft.

Das ist gewiss richtig, wenn und wo der Austausch von Waren regulär geworden ist - denn (nur) dann ist ipso facto die Warenproduktion regulär geworden. Nur wenn - nicht ein lokaler und momentaner 'Markt', sondern: - das Marktgeschehen nach Raum und Zeit stetig geworden ist, kann sich ein realer Durchschnitt überhaupt ausbilden, nur dann bestimmt nicht diese oder jene zufällige Verkettung von Umständen, sondern das Gesetz der großen Zahl das Ge-schehen, wie der von Marx geschätzte Quételet es nannte.  

Wenn der Austausch von Waren und folglich die Warenproduktion regulär geworden ist, dann ist - nicht logisch, aber historisch - der Tausch der Arbeitkraft gegen Geld regulär gewor-den; und kann der Wert der Arbeitskraft als der Ware par excellence regulierend in den Pro-zess eingreifen und einen reellen Durchschnitt bestimmen. 

Auf einem lokalen Wochen- oder Monatsmarkt kann ein Statistiker aus Tabellen ex post einen Durchschnitt errechnen. Doch der ist rein fiktiv und bedeutet nichts als sich selbst. Vom Wert der Arbeitskraft wird aber behauptet, dass er regelt, in welchen Proportionen der eine Gebrauchsgegenstand tatsächlich gegen einen andern Gebrauchsgegenstand ausge-tauscht wird; und zwar heute und morgen und in München so gut wie in Flensburg; im Durchschnitt, versteht sich, und ohne dass ihn einer berechnen musste.

31. 7. 18


Nota II. - Man kann auf diesem hegelisch verminten Terrain bei der Wortwahl gar nicht vorsichtig genug sein. Höre ich mich da eben sagen, der Wert bestimme den Durchschnitt? Den Durchschnitt der Preise, um den ging es ja wohl. Doch der Durchschnitt der Preise ist der Wert. Der Durchschnitt der Preise ist das Durchschnittsergebnis aller Tauschakte in einem bestimmten Zeitraum.* Ohne sie gäbe es ihn nicht. Die tatsächlich erzielten Preise werden im Verlauf des Tauschprozesses reduziert auf ein Mittelmaß. Lediglich der Mathema-tiker kann meinen, der Durchschnitt existiere selbstständig, unabhängig von allem andern; denn für ihn ist er nur eine Zahl - wie alle andern. Doch keine gezählte, sondern lediglich eine gedachte Zahl. Man erkennt es daran, dass sie... aus dem Durchschnitt der Preise post fac-tum errechnet werden muss. 'Von sich aus' zeigt sie sich nirgends. 

*) Über Zeitraum und Weite bestimmt der Statistiker nach Gutdünken; in der Wirklichkeit gibt es nur einen Prozess ohne vorfindliche Grenzen.

JE , 28. 8. 20

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Noumena.*

                                        zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik    Ein Begriff, der uns in die intelli...