
Alles, was auf ideale Tätigkeit sich bezieht, ist Setzen, und entweder Tätigkeit des Ich, Ge-bundenheit der idealen Tätigkeit; oder Sein des NichtIch, ein Gesetztsein, durch welches ein Werden und Machen negiert wird. Wenn die Möglichkeit der Entgegensetzung so abgeleitet wird, so wird der oben behaupteten Teilbarkeit nicht widersprochen, denn ich kann ja das-selbe Sein vermehren oder vermindern.
Das oben Gezeigte wird sich unten zeigen als dasjenige, was durch das unmittelbare Gefühl gegeben ist, z. B. Rot, Blau, Süß, Sauer. In diesen Gefühlen ist der Zustand des Gemüts nicht Vielheit, sondern Einheit, die Teilbarkeit findet aber dabei statt, nämlich dem Grade nach. Ich kann mehr oder minder Rotes empfingen, aber ich kann nicht sagen, wo es auf-hört, rot zu sein.
Wie ist das Setzen oder das Bewusstsein dieses Etwas möglich? Wie kommt es in das Ich?
3) Dieses Etwas und das Bewusstsein davon geht allem Handeln voraus, denn das Handeln ist dadurch bedingt. Das Gegebene ist die Sphäre alles möglichen Handelns; das Handeln / aber ist absolut nichts Einfaches, sondern ein Zweifaches. Es liegt gleichsam eine Ausdeh-nung des Selbstaffizierens und ein Widerstand, der es aufhält und zu einem Anschaubaren macht, darin. Was in der Sphäre des Bestimmbaren liegt, ist das Handeln; jedes Mögliche muss etwas dem Ich Angehöriges und etwas ihm Widerstrebendes sein.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 65f.
Nota I. - Ja, Gefühl ist ein vom-Andern-affiziert-Sein.
2. 8. 16
Nota II. - Das ist das sit venia verbo
'ontologische' Apriori der Wissenschaftslehre: Intel-lektsein heißt
handeln, handeln ist sich-bestimmen-zu...: ist ein
sich-selbst-Affizieren. Das Gefühl ist das Gegenteil davon: Es hindert
das X, 'sich-selbst' zu affizieren, indem von Anderm affiziert wird.
Bei der Gelegenheit ein Wort zum 'ursprünglichen Bewusstsein' und seinem Verhältnis zur intellektuellen Anschauung:
Jenes X, dem wir den Willen, sich-selbst zu bestimmen, zurech-nen
müssen, weil anders nie ein wirkliches Ich hätte werden können,
'begegnet sich' erst-mals, wenn es wirklich handelt: Im Handeln 'erlebt'
es sowohl den Gegenstand, auf den es handelt, als auch sich als das, welches handelt. Dieses aber ist noch "gar kein Bewusstsein, es ist ein dumpfes sich selbst
Setzen, aus dem nichts herausgeht; eine Anschauung, ohne dass angeschaut
würde". Besagtes X könnte es dabei belassen und würde dann nie ein wirkliches Bewusstsein ausbilden.
Doch Vernunft ist entstanden, vernünftig-gewordene Wesen haben sich zu einer Reihe zu-sammengeschlossen, die an jeden Neuankömmling die Aufforderung richtet, es ihnen gleichzutun und eine allen verbindliche intelligible Welt auszubauen.
Die Darstellung der Wissenschaftslehre folgt daher der Spur jenes X, das es beim dumpfen 'Erleben' seiner im Moment des Handelns nicht bewenden ließ, sondern sich aus Freiheit zum Anschauen bestimmte. Anschauung ist der erste Grad von Reflexion. In der Reflexion aber zerfällt der ursprünglich eine Akt des Handelns unversehens in ein seiendes Subjekt und ein seiendes Objekt: so, als ob sie beide schon vorher dagewesen wären und sich zum Handeln erst zusammenfinden mussten.
Dem Alltagsmodus der Vernunft reicht das völlig aus, er ist der gesunde Menschenverstand und reicht aus den Laboren des CERN bis in den Smalltalk an der Bushaltestelle.
Einzig
die Luxusvariante des Vernunft, die Transzendentalphilosophie, gibt
sich damit nicht zufrieden; aus Freiheit wiederum, denn den
Erfordernissen des geschäftigen Lebens ver-schafft sie keinerlei
Vorteile. Sie ist als Vernunftkritik
den Weg zurückgegangen und an den Punkt gelangt, wo Subjekt und Objekt
zum erstenmals auseinandergetreten sind, um einan-der 'begegnen' zu
können. Die willkürliche Wiederherstellung des unwillkürlichen
ursprüng-lichen Bewusstseins durch eine Reflexion zweiten Grades nennt er unter ausdrücklicher Be-tonung ihrer Künstlichkeit und ihres Mangels an praktischem Nutzen die intellektuelle An-schauung im Unterschied zur natürlich-sinnlichen.
JE 6. 11. 21
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