Dienstag, 25. Februar 2025

Es führt kein Weg aus der Vernunft hinaus.

                                               aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Nur freie Wechselwirkung durch Begriffe und nach Begriffen, nur Geben und Empfangen von Erkenntnissen ist der eigentümliche Charakter der Menschheit, durch welchen allein jede Person sich als Menschen unwidersprechlich erhärtet. 

Ist ein Mensch, so ist notwendig auch eine Welt, und bestimmt solch eine Welt, wie die uns-rige es ist, die vernunftlose Objekte und vernünftige Wesen in sich enthält. (Es ist hier nicht der Ort, noch weiter zu gehen und die Notwendigkeit aller bestimmten Objekte in der Na-tur und ihre notwendige Klassifikation zu erhärten, die sich aber ebensowohl erhärten lässt, als die Notwendigkeit einer Welt überhaupt.)*

Die Frage über den Grund der Realität der Objekte ist sonach beantwortet. Die Realität der Welt - es versteht sich: für uns, d. h. für alle endliche Vernunft - ist Bedingung des Selbstbe-wusstseins, denn wir können uns selbst nicht setzen, ohne etwas außer uns zu setzen, dem wir die gleiche Realität zuschreiben müssen, die wir uns selbst beilegen. 

Nach einer Realität zu fragen, die bleiben soll, nachdem von aller Vernunft abstrahiert wor-den, ist widersprechend, denn der Fragende selbst hat doch wohl Vernunft, getrieben durch die eigene
Vernünftigkeit, und will eine vernünftige Antwort; er hat mithin von der Vernunft nicht abstrahieret. Wir können aus dem Umkreis der Vernunft nicht hinausgehen. Gegen die Sache selbst ist gesorgt, die Philosophie will nur das erreichen, dass wir mit [...?] darum wissen und nicht wähnen, herausgegangen zu sein, wenn wir doch, wie sich versteht, darin befangen sind.

*) Wer dies nicht einsehen kann, der habe nur Geduld und folgere aus seinem Nichteinse-hen indes nichts weiter, als was wirklich darin liegt, nämlich dass er es nicht einsehen kann.

_______________________________________________________________________ J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 40
 

Nota. I - Vernunft ist immanent, es führt kein Weg hinaus - jedenfalls nicht durch vernünf-tiges Fragen. Wer fragt, ob es Wahrheit gibt, setzt sie voraus. Wahrheit ist kein Sachverhalt, sondern ein Begriff (ein Begiff, der sich durch keine Bestimmung erschöpfen lässt, vulgo eine Idee). Es ist der Begriff von einer Geltung ohne Bedingungen. Wer fragt, ob es diesen Begriff gibt, der hat ihn sich bereits entworfen. Also 'gibt es' ihn. *

Doch das bedeutet selber noch gar nichts. Die Frage ist immer nur, wann und wo er gilt. Die wäre konkret zu beantworten. Der Satz, 'es gibt Wahrheiten, aber keine Wahrheit', ist ein Wortspiel. Wenn ein Satz gilt, und sei es unter tausendundeiner Bedingung, dann 'gibt es' Geltung; aber das heißt nichts weiter als: Außer seienden Dingen gibt es Geist. Was das sei, darüber darf man verschie
dner Meinung sein. Aber dass es so ist, kann nur ein Geistlo-ser bestreiten; doch der könnte es nicht bestreiten.
 

3. 2. 19

*) Er müsste sonst sagen: Was er sich unter Wahrheit vorstellt, könne er sich nicht vorstel-len.

Nota II. - Kein Weg über die Vernunft hinaus könnte es ebensogut heißen.
JE, 15. 2. 22
 
 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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