
Ich finde mich also als Objekt, bin mir gegeben.
Das Bestimmbare ist ein Reich
vernünftiger Wesen außer mir. Aber vernünftige Wesen außer mir werden
nur gedacht, um das Mannigfaltige zu erklären. Die Vernunft und den
freien Willen anderer außer mir nehme ich nicht wahr, ich schließe nur
darauf aus einer Erscheinung in der Sinnenwelt; sie gehören daher nicht
in die Sinnen-, sondern in die intelligible Welt, in die der Noumene.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 150
Nota I. -
Dass Vernunft sei, nehme ich nicht wahr in der Begegnung mit andern
Wesen, die ich hinterher als vernünftig ansehen werde wie mich selber.
Wahr nehme ich bloß, dass sie da sind neben mir. Aus diesem bloßen Umstand schließe ich - finde ich? postuliere ich? -, dass da ein Medium sein muss, in dem wir miteinander bestehen.
Mit andern Worten, die 'vernünftigen Wesen' sind eher da - in meiner Vorstellung -, als die Idee der Vernunft. Ich finde, dass sie 'in gewisser Hinsicht' mir gleich sind, oder ich ihnen. Dieses Tertium will ich Vernunft nennen. Wie weit es reicht, wird man sehen; was es ist, muss man dann nicht wissen.
29. 12. 14
Nota II. -
Das lässt sich mühelos in historische Prosa übersetzen: Was wir unter
Vernunft verstehen, hat sich als Form des gesellschaftlichen Verkehrs
tatsächlich ausgebildet in dem Maß, wie sich innerhalb der feudalen
(Un-) Ordnung Gemeinschaften bürgerlicher Subjekte
zusammenfanden. In den Kreisen der antiken und mittelalterlichen
Gelehrten hatte sich 'vernünftiges', aus geprüften Gründen
argumentierendes Denken längst zuvor ausgebildet. Aber es bedurfte der bürgerlichen Verkehrsweise, um sie allgemeinverbindlich und habituell zu machen.
JE, 9. 9. 18
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