
...es ist gar nicht
wahr, dass die Täuschung, die Dinge in Zeit und im Raum für Dinge an
sich zu halten, unvermeidlich sei. Es ist allerdings notwendig, so auf
sie zu handeln, als ob sie es wären; denn /
unsere Handlung selbst geht durch das Medium der Vorstellung hin-durch;
man kann nicht handeln, ohne das Bild seiner Handlung sich
vorzuhalten. Aber die Handlung und das Behandelte müssen notwendig aus
demselben Reflexionspunkte angese-hen werden.
Denn die technisch
praktische Täuschung ist unvermeidlich. Kein Experiment, kein
Kunst-produkt ist möglich, ohne die Formen der Sinnlichkeit dem
Gegenstande zuzuschreiben, weil man sie in der Handlung sich selbst
zuschreiben muss - aus einem Grunde, den ich zu seiner Zeit und an
seinem Orte bestimmt darlegen werde. Es ist notwendig, so auf sie zu handeln, aber es ist gar nicht notwendig, sie so zu denken, wenn man sie bloß denkt, um sie zu denken.
Diese Täuschung im
Denken gründet sich auf die bloße Gewohnheit, auf dem niedrigsten Punkte
der Reflexion zu bleiben. Diese Gewohnheit kann durch eine neue, durch
fortge-setztes gründliches Nachdenken und durch stete Aufmerksamkeit auf
sich selbst zu erwer-bende Gewohnheit aufgehoben werden. Das Handeln
zieht uns stets auf jene niedrige Stufe herab; aber bei der geringsten
Reflexion auf sich selber kann man in jedem Augenblicke sich wieder ganz
klar bewusst werden, dass man nur in der Welt der Erscheinungen lebe;
durch die geringste Reflexion auf sich selber kann man sich wieder in
das Gebiet der reinen Ver-nunft und der reinen Wahrheit erheben und
wenigstens seinem Geiste nach in einer höhe-ren Welt wandeln.
_______________________________________________________________________ J. G. Fichte, "Über den Unterschied des Geistes und des Buchstabens in der Philosophie" in Von den Pflichten der Gelehrten, Hamburg 1971 [Meiner], S. 73f.;
Nota I. -
Im Handeln und für das Handeln ist die realistische Auffassung der Welt
unum-gänglich, und da wir den größten Teil der Zeit, den wir auf der
Welt sind, mit handeln be-schäftigt sind, ist sie gewissermaßen die richtige: Das
wirkliche Handeln ist nur auf dem niedrigsten Reflexionspunkt möglich.
Wenn ich momentan neben das Leben trete und mich und mein Handeln
bedenke, nehme ich den Gesichtspunkt des Philosophen an, und ich werde
ihn nicht gleich wieder vergessen, sobald ich erneut ans Handeln gehe.
Ich begebe mich wissentlich auf die realistische Auffassung herab und
handle so als ob.
24. 8. 17
Nota II. - Bemerke aber: Die realistische Fiktion ist zugleich die rationalistische Fiktion. Da liegt der Hase in Pfeffer.
JE
Nota.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden.
Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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