
Was in der Sphäre des
Bestimmbaren liegt, ist das Handeln. Jedes Mögliche muss etwas dem Ich
Angehöriges (Tätigkeit) und etwas ihm Widerstrebendes sein. Dieses
Etwas ist als ein wirkliches Handeln nicht gesetzt; was also davon dem
Ich angehört, ist nicht zu erklären aus einer wirklichen
Selbstaffektion. Das Ich wird hier nur gesetzt als das Vermögen des
Han-delns in diesem Mannigfaltigen. Nun kommt aber dieses Vermögen hier
nicht vor als ein bloßes Vermögen, als ein Mögliches im Denken, sondern
als ein Anschaubares, welchem in sofern der Charakter des Seins
zukommt.
Der Charakter des Seins
ist Bestimmtheit, folglich müsste hier liegen ursprüngliche
Be-stimmtheit zum Handeln überhaupt. – Das Ich, sobald es gesetzt ist,
ist nicht frei zu han-deln überhaupt, sondern nur, ob es dieses oder
jenes handeln will. Wir bekommen hier ein notwendiges Handeln. Das Wesen
des Ich ist Tätigkeit, folglich wäre hier ein Sein der Tätig-keit. Das
den Begriff von seinem Willen entwerfende Ich ist gebunden, aber die
Gebunden-heit deutet auf ein Sein, und zwar auf ein eigentliches Sein.
Das Bindende und insofern Set-zende ist dem Ich angehörig, aber das Ich
ist hier praktisch (Tätigkeit), sonach ist hier ein Sein der Tätigkeit.
Beide sich
widersprechende Begriffe sind hier vereinigt (nämlich Sein und
Tätigkeit), und diese Vereinigung wird hier betrachtet als ein
Gefundenes. Ich finde etwas, aus welchem ich mein Handeln zusammensetze;
in diesem liege ich selbst, also hier wird Tätigkeit gefunden. Diese
Tätigkeit ist eine zurückgehaltene Tätigkeit, und davon bekommt sie den
Charakter des Seins. So etwas ist aber ein Trieb, ein sich selbst
produzierendes Streben, das im Innern dessen, dem es zugehört,
gegründet ist [...], es ist
Tätigkeit, die kein Handeln ist, etwas An-haltendes, die ideale
Tätigkeit Bestimmendes, eine innere, fortdauernde Tendenz, den
Wi-derstand zu entfernen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 66
Nota I. - Möglichkeit
ist keine logische, sondern eine praktische Kategorie. Sie gehört nicht
zum Gegenstand, sondern zum Subjekt: als ein wählbarer Zweckbegriff. Wo
eine Möglich-keit auftritt, ist ein Ich noch im Deliberieren befangen. Sie ist Handlung in der Schwebe.
24. 10. 15
Nota II. - Dass Kant die Möglichkeit neben Wirklichkeit und Notwendigkeit in seine Kate-gorientafel aufgenommen hat, macht sein ganzes Apriori fragwürdig. Dass es in unserem Vorstellungsvermögen an diese Stelle gehört, sei unbestritten. Aber mit seiner Weigerung, das Woher der Kategorien überhaupt zum Thema zu machen und dem Wink mit dem Zaunpfahl, es könne sich wohl um eine göttliche Eingebung handeln, umgibt er sie mit ontischen Glanz und nährt die Annahme, es könne sich um eine ferne Botschaft aus dem Ansich handeln.
Kaum fällt einem das auf, bemerkt man, dass Kant nicht nur offenlässt, woher die Katego-rien selber stammen, sondern auch nicht berichtet, wie er sie gefunden hat. Vier mal drei macht ein Dutzend, das sieht so aus, als ob ein intelligenter Designer sich was dabei gedacht hat. Doch um Himmelswillen: was denn? Er hat sich was dabei gedacht, nämlich die Ab-sicht, das Wissen aufzuheben, "um zum Glauben Platz zu bekommen".* Davon mag man halten, was man will, doch ein wissenschaftliches Motiv ist es nicht. Fichte ist nicht eigent-lich 'über Kant hinaus' gegangen, sondern tiefer in ihn eingedrungen als dieser selbst.
*) KrV, Vorrede zur 2. Auflage, ed. Weischedel, Bd. III, S. 33
JE
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