schubalu, pixelio.de aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Alles Bewusstsein ist begleitet von einem unmittelbaren Selbstbewusstsein, genannt intel-lektuelle Anschauung,
und nur in Voraussetzung dessen denkt man. Das Bewusstsein aber ist
Tätigkeit, und das Selbstbewusstsein insbesondere in sich zurückgehende
Tätigkeit der Intelligenz, oder reine Reflexion.
Alles zufolge angestellter Selbstbeobachtung. Diese reine Reflexion als
Begriff angesehen wird gedacht durch ich. Ich setze mich sonach
schlechthin durch mich selbst, und durch dieses Selbstsetzen ist alles
andere Bewusstsein bedingt. S. 34
Jene Tätigkeit
der Reflexion als solche, durch welche die Intelligenz sich selbst
setzt, wird, wenn sie angeschaut wird, angeschaut als eine sich
bestimmende Agilität, und diese wird angeschaut als ein Übergehen aus
dem Zustande der Ruhe und Unbestimmtheit, die jedoch bestimmbar ist, zu
dem der Bestimmtheit. Diese Bestimmbarkeit erscheint hier als das
Ver-mögen, Ich oder NichtIch zu denken, und es werden sonach in dem
Begriffe der ersten die beiden letzten Begriffe notwendig mitgedacht und
einander gegenüber gesetzt. Beide Begrif-fe erscheinen sonach bei
Erregung der selbsttätigen Reflexion als etwas unabhängig von derselben
Vorhandenes, und der Charakter des NichIch ist das Sein, eine Negation. S. 43
Aus der
ursprünglichen Anschauung entstehen zwei Reihen, die subjektive oder das
Beab-sichtigte und das Objektive oder das Gefundene; beide können nicht
getrennt werden, weil sonst keine von beiden ist. Beide Ansichten
desselben, subjektive und objektive, sind bei-sammen, heißt: Sie sind
nicht nur in der Reflexion unzertrennlich, sondern sie sind auch als
Objekte der Reflexion eins und dasselbe. Die Tätigkeit, die in sich
zurückgeht, welche sich selbst bestimmt, ist keine andere als die bestimmbare, es ist dieselbe und unzertrennliche.
Das NichtIch ist also
nichts anderes, als bloß eine andere Anschauung des Ich. Das Ich als Tätigkeit
betrachtet gibt das Ich, das Ich in Ruhe betrachtet das NichtIch. Die Ansicht
des Ich / als tätiges kann nicht stattfinden ohne die Ansicht des Ich als ruhenden,
d. h. Nicht-Ich. Daher kommts, dass der Dogmatiker, er das Ich nicht in Tätigkeit
denkt, gar kein Ich hat. Sein Ich ist Accidens
des NichtIch. Der Idealismus hat kein NichtIch, das NichtIch ist ihm nur eine
andre Ansicht des Ich. Im Dogmatismus ist das Ich eine besondre Art vom Dinge,
im Idealismus das NichtIch eine besondre Weise – das Ich anzusehen. 42f.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre
nova methodo, SS. 34; 43; 42f.
Nota. - Phänomenal vorausgesetzt ist die Intelligenz
- ohne weitere Bestimmung: Das Be-stimmen soll in der Reflexion, im
Sich-selbst-Setzen der Intelligenz ja erst beginnen. 'Die Intelligenz'
ist ein X. Sich setzen=sich
bestimmen geschieht, indem die noch-ruhende und eo ipso noch unbestimmte
Intelligenz übergeht in den tätigen Zustand des sich-selbst-Be-stimmens.
Dieses Übergehen geschieht ohne Grund, Ursache oder andere Bedingungen: aus Freiheit.
Durch den primären Akt des sich-selbst-Bestimmens wird der vorangegangene Zustand der Unbestimmtheit als ein solcher erst gesetzt; retrospektiv, als dem primären Akt... vorher ge-setzt!
Indes: Dies alles sind keine anschaulichen Fakten, sondern Begriffe, die überhaupt erst in der Reflexion auftauchen; aber eben als Begriffe, die als solche ruhen
- und vorgestellt wer-den als dem ursprünglichen Akt vorausgesetzt.
Indem die tätige Intelligenz sich durch den Begriff bestimmt, setzt sie
sich als zuvor Untätige; indem sie subjektiv wird, wird sie sich
zum Objekt. Zu einem Ich wird sie, indem sie sich zum Nichtich wird. Das
Ich findet sich vor als sich selbst vorausgesetzt. Freilich nur, sofern es sich finden will, daran sei stets er-innert.
Als Nichtich
findet sich das Ich vor als den ersten Gegenstand, das erste Objektive,
das ihm begegnet. Das ist die Grundlage aller seiner Bekanntschaft mit
der Welt. Aller Gegenstand ist seither eines, das ihm begegnet. Nur so wird ihm eine Welt und nur so ist er
in der Welt. Das Ich, das sich findet als sich selbst vorausgesetzt,
ist die Paradoxie, in der alle rationelle Dialektik gründet. Es spaltet
sein agiles Vermögen in einen realen und einen idealen Anteil und legt
den Grundstein für eine intelligible Welt.
JE, 7. 6. 18
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