Donnerstag, 27. Juli 2023

Wann ist die Aufgabe der Transzendentalphilosophie erfüllt?

  E. Hicks                                aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Der sachliche Gehalt der Aufforderung durch die Reihe vernünftiger Wesen ist der, dass ich mir, um meiner problematisch vorausgesetzten Zugehörigkeit zu ihr Anerkennung zu verschaffen, in der sinnlichen Welt Zwecke setze.

Denn nichts anderes als dies ist es, das sie erstens zu einer Reihe, und zweitens zu einer Reihe vernünftiger Wesen bestimmt. 


Nicht schon dass sie, jeder für sich, ohn' Ende bestimmen, was immer ihnen vorkommt, und dass sie sich in ihrer intelligiblen Welt und in ihrer jeweiligen Freiheitssphäre Zwecke setzen, und womöglich - der Himmel mag wissen, wie - alle dieselben. In der intelligiblen Welt, die lediglich ein Noumenon ist, bliebe jedes in seiner Sphäre, ohne einem andern zu begegnen. Denn dort stehen sie nicht in Wechselwirkung.

Begegnen können sie sich nur in der sinnlichen Welt von Raum und Zeit, denn da muss der eine die Sphäre seiner Freiheit so wählen, dass sie die der andern nicht verletzt: Sie müssen sich - in Raum und Zeit - beschränken. Prosaisch ausgedrückt: In Raum und Zeit stoßen die Zwecke, sobald sie im sinnlichen Produkt realisiert sind, an einander und müs-sen doch zugleich bestehen können. Nichts anderes ist reale Wechselwirkung.

Die Sphäre ihrer Freiheit so zu beschränkten, dass sie die Freiheitssphäre der andern nicht verletzt, macht Vernunft aus - und bestimmt das Rechtsverhältnis.* In der Wirklichkeit wird das wechselseitige Beschränken nicht ohne Streit abgehen, denn nicht immer werden die richtigen Argumente gleich als solche erkannt, weil das Interesse ihnen entgegensteht.

Dies zu demonstrieren war die Aufgabe der Transzendentalphilosophie. Die Wissen-schaftslehre hat sie erfüllt.

*) Dass es Vernunft gäbe, bestreitet heute mancher. Aber ihr Recht reklamieren sie alle. Doch das ist dasselbe.

12. 6. 19 


Nachtrag. - Die ('pragmatische') Geschichte der Vernunft ist keine natürliche Evolutions- und Auslesegeschichte, sondern ein dramatisches Stück aus Aufgaben, die gesetzt, und Zwecken, die verwirklicht werden. Nicht hat die Vernunft, nachdem sie lange genug in Frieden gewebt und gewirkt hat, schließlich das Recht als ihren Abkömmling zur Welt gebracht. Sondern als zu Ende des Dreißigjährigen Krieges bei Strafe allgemeinen Unter-gangs ein Recht unabweisbar geworden war, musste die Vernunft geboren werden, auf der allein es beruhen durfte. Vernunft hat einen allgemeinsten Zweck, den sie allezeit fort zu bestimmen hat - 
Recht
16. 2. 20




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Noumena.*

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