Samstag, 1. Juli 2023

'Gibt es' Vernunft?

 keltisch                                                        zu Philosophierungen

Ist Vernunft naturgegeben, oder nur ein subjektiv induziertes Konstrukt? Sind Vernünf-tigkeit und Irrsinn objektivierbare Data? 

Wenn  mir zwar keiner widerlegen könnte, dass Vernunft eben ist, was sie ist, so kann ich sie ihm doch nicht erweisen. Er könnte an ihrer Statt eine andere vorschlagen, doch ich könnte ihm sicher nachweisen, dass er dabei wissent- oder unwissentlich von Prämissen ausgeht, die er nicht erwiesen hat und die ich ihm nicht zugestehe. Es gälte also, alle überflüssigen Prämissen auszuscheiden, beziehungsweise die eine herauszuarbeiten, die schlechthin unvermeidlich ist. 

Der Ansatzpunkt kann nicht sein: "Gibt es Vernunft?" Es muss ja vorher bestimmt sein, was darunter zu verstehen wäre. Und historisch ist es so: Erst trat Vernunft auf mit dem Anspruch, universal zu gelten, bevor die Frage aufkam, wer oder was sie überhaupt sei. So ist es immer: Erst beginnt ein Handeln, reflektiert wird hinterher. So war es mit der Ver-nunft - zuerst machte sie sich in der Welt geltend, erst dann musste sie sich vor ihren Geg-nern rechtfertigen.

Das begann mit der Kant'schen Vernunftkritik.

Ich weiß, was ich weiß. Überprüfen auf seine Richtigkeit kann ich allenthalben, wie ich weiß - wie ich zu meinem Wissen komme -, denn da bin ich dabei. Doch was ich weiß, kann ich nicht prüfen, weil ich in das Ding an sich eo ipso nicht hineinkomme. Wissen kann ich allenfalls, was ich mit ihm anfangen kann, wenn ich es will - und das muss ich schließlich und endlich selber wissen. Mit andern streiten, was die Dinge an sich wären, kann ich sinnvoller Weise gar nicht, bevor ich mich nicht verständigt habe, was aus ihnen zu machen wäre.

Die Annahme, dass es Vernunft geben kann, setzt voraus, dass ich beabsichtige, mich allgemein zu verständigen darüber, wozu sie Ding der Welt gebraucht werden sollen. Wenn eine solche Verständigung nicht gelingt, bleibt Vernunft immerhin als Problem übrig - und man wird nicht ernstlich behaupten können, dass es sie nicht gibthöchstens, dass man sie entbehren mag

"Dass unser Wissen keinen Grund hat, mag schon sein. Aber dann lässt sich das Leben nicht führen; denn so könnte man nicht zusammen leben. Aber so könnte man Kunst machen. Das mag diesem und jenem genügen, aber nicht allen."



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Noumena.*

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