Sonntag, 9. Juli 2023

Transzendentalphilosophie und empirische Befunde.

Sehtestbilder                             zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Empirische Befunde, egal in welchem Fach, können die Schemata der Transzendentalphi-losophie nicht beweisen - weil die keine Tatsachenbehauptungen sind, sondern Sinnbe-stimmungen. Könnten sie aber die sinnhaften Modelle der Transzendentalphilosophie widerlegen? Auch das nicht unmittelbar. Doch in Verlegenheit käme die Transzendental-philosophie schon, wenn ihren Sinnbehauptungen der Augenschein direkt widerspräche. Da müss-te sie eine Menge Dialektik aufbieten, um den schlechten Eindruck wieder zu zerstreuen.

Weshalb sage ich das an dieser Stelle? Weil aus der Sicht des Transzendentalphilosophen das bewusst-Sein kein Zustand ist, sondern ein Akt, durch den sich das Ich bewusst macht. Würde nun der Hirnforscher eine Stelle im Gehirn finden, wo das Bewusstsein "sitzt" und womöglich selbst im Schlaf noch blinzelt, oder eine Verschaltung mehrerer Zentren, die eine dauerhafte 'höhere Ebene' bildeten - dann würde das noch nichts bewei-sen und die Befunde wären immer noch erst sinnhaft zu interpretieren; aber man müsste sich schon einiges einfallen lassen, um glaubhaft zu machen, dass 'der Augenschein trügt'.

aus einem Kommentar, 24. 4. 2016

Nachtrag. - Die Transzendentalphilosophie handelt von nichts objektiv Wirklichem. Sie handelt von unserem wirklichen Vorstellen; und von wirklichen Dingen nur, inwiefern sie in der Vorstellung vorkommen. Sie ist selber eine Vorstellung des Vorstellens. Die Neuro-physiologie kann mehr oder weniger genau beschreiben, welche neuronalen Prozesse stattfinden, wenn vorgestellt wird; aber was sie dem Vorstellenden bedeuten, kann sie we-der erkennen noch erklären. Wo etwa das bewusste Subjekt einen Kausalzusammenhang wahrnimmt, kann auch sie lediglich ein Vorher-Nachher beobachten. 

Die Transzendentalphilosophie fasst bewusst-Sein als ein Handeln auf. Der bewusst Vor-stellende sieht überall seine eigene Tätigkeit mit, auch wenn er sie nicht bemerkt. Wo die-ses auf jenes folgt, sieht er einen Großen Handelnden am Werk, den er sich nur als einen Wollenden denken kann, und sein Wollen fasst er als Naturgesetze und Naturzwecke auf. Vor einem bloß-Faktischen, das lediglich 'da ist' ohne ein Woher und Wozu, ist seine Vor-stellungskraft ratlos: Es muss ja doch irgendeinen Sinn haben!
 
Es ist der Vorstellende selbst, der für all sein Tun und Lassen Sinn und Zweck braucht. Es ist sein Wirken, das die Transzendentalphilosophie in allem Vorgestellten aufdeckt. Sowie der Mensch bewusst wird,* ist er ein Handelnder, dass er für Alles einen Sinn und seinen Zweck sucht, macht seine Vernünftigkeit aus. 

Weiter kann sie nicht gehen, aber tiefer: Um den Menschen als einen schlechthin Han-delnden bestimmen zu können, muss sie ihn zuvor als einen schlechthin Wollenden ge-setzt haben. Das ist nun der Schlusspunkt der Transzendentalphilosophie, von hier an kann sie nur wieder zurück und den Gang der Vernunft Schritt für Schritt rekonstruieren.

Das einzig Empirische daran ist die Erfahrungstatsache, dass wir Menschen vorstellen. Alles andere ist Reflexion auf Sinnzusammenhänge, vorauszusetzende Absichten, anzu-nehmende Zwecke: nichts, was empirische Forschung beweisen oder widerlegen könnte. Und doch ist sie wissenschaftlich: Denn sie lässt nichts gelten, als was sie analytisch aufge-funden oder aus erklärten Gründen konstruiert hat. Ihr einziger 'Beweis' ist, wenn und dass ihre Sätze unter-einander zusammenpassen und als Ganzes einen Sinn ergeben. Die-ser Sinn ist ein anthropologischer: das Bild vom Menschen als einem Wollenden und Zwecke Setzenden. Er ist aber, auch im System, nur ein Postulat, beweisen lässt er sich nicht. Er kann sich allenfalls im Leben bewähren. Doch ob er das tut, wird stets umstrit-ten bleiben. Das Verdienst der Transzendentalphilosophie ist, dass sie klargestellt hat, worum der Streit geht.

*) Nur seines Handelns kann er bewusst werden.
1. 2. 18

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Noumena.*

                                        zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik    Ein Begriff, der uns in die intelli...