Zuvörderst kommt die intellektuelle Anschauung nicht unmittelbar vor, sondern sie wird in jedem Denkakte nur gedacht, sie ist das Höchste im endlichen Wesen. Auch der Philosoph kann sie nur durch Abstraktion und Reflexion zu Stande bringen.
Negativ gesehen ist sie keine sinnnliche [Anschauung]. Die Form der sinnlichen Anschaunng ist Übergehen von Bestimmbarkeit zu Bestimmtheit. Die muss in jenem [reinen] Wollen, inso-fern es intellektuell angeschaut wird, ganz und gar wegfallen, und es bleibt nur übrig ein bloßes Anschauen unserer Bestimmtheit, die da ist, aber nicht wird. ... Es wäre sonach ein bloßes Anschauen meiner selbst als eines Bestimmten.
Wie wird nun diese Bestimmtheit erscheinen? Erscheinung passt nur auf sinnliche Wahr-nehmung, wie kommt sie also in der sinnlichen Wahrnehmung vor? Als ein Wollen, aber das Wollen ist nach dem Obigen ein Sollen, ein Fordern. Sonach müsste diese Bestimmtheit er-scheinen als bestimmtes absolutes Sollen, als kategorische Forderung.
Diese bloße Form des Wollens, diese absolute Forderung ist noch nicht das Sittengesetz. Dieses wird es erst, indem es auf einen sinnliche Willkür bezogen wird, und davon ist hier noch nicht die Rede.
_________________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 142
Nota. - Wir sind hier noch (oder wieder) bei der intellektuellen Anschauung: Ich schaue mich an als einen Be-stimmten; einen als wollend bestimmten. Ich soll mich als einen Wol-lenden anschauen - das heißt, ich kann mich als einen nicht Wollenden nicht einmal denken. Was übrigens empirisch zutrifft: Als bloßen Stoffwechsel kann ich mich nicht denken; kann ich entweder nichts denken, oder nicht mich denken.
Das wird von nun an den Fortgang der Wissenschaftslehre bestimmen: Aus dem absoluten Wollen ist ein kategorisches Sollen geworden. 'Du sollst wollen' wäre absurd im Munde eines jeden, der es ausspricht. Ich soll wollen heißt nichts anderes als: Ich bin als ein Wol-lender vorbestimmt. 'Bedingt unfrei'? Weil er seinen ursprünglichen Akt der Freiheit, sein sich-selber-Setzen nicht wirklich anschauen kann, muss er sich (wenn er will) reflektierend "intellektuell" anschauen: ex post, als einen sich selbst voraus-Gesetzten.
Doch recht besehen bedeutet die Aufforderung zur Freiheit, die von der 'Reihe vernünftiger Wesen' an mich ergeht, nicht anderes als: "Du sollst wollen!"
JE, 21. 7. 18
Negativ gesehen ist sie keine sinnnliche [Anschauung]. Die Form der sinnlichen Anschaunng ist Übergehen von Bestimmbarkeit zu Bestimmtheit. Die muss in jenem [reinen] Wollen, inso-fern es intellektuell angeschaut wird, ganz und gar wegfallen, und es bleibt nur übrig ein bloßes Anschauen unserer Bestimmtheit, die da ist, aber nicht wird. ... Es wäre sonach ein bloßes Anschauen meiner selbst als eines Bestimmten.
Wie wird nun diese Bestimmtheit erscheinen? Erscheinung passt nur auf sinnliche Wahr-nehmung, wie kommt sie also in der sinnlichen Wahrnehmung vor? Als ein Wollen, aber das Wollen ist nach dem Obigen ein Sollen, ein Fordern. Sonach müsste diese Bestimmtheit er-scheinen als bestimmtes absolutes Sollen, als kategorische Forderung.
Diese bloße Form des Wollens, diese absolute Forderung ist noch nicht das Sittengesetz. Dieses wird es erst, indem es auf einen sinnliche Willkür bezogen wird, und davon ist hier noch nicht die Rede.
_________________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 142
Nota. - Wir sind hier noch (oder wieder) bei der intellektuellen Anschauung: Ich schaue mich an als einen Be-stimmten; einen als wollend bestimmten. Ich soll mich als einen Wol-lenden anschauen - das heißt, ich kann mich als einen nicht Wollenden nicht einmal denken. Was übrigens empirisch zutrifft: Als bloßen Stoffwechsel kann ich mich nicht denken; kann ich entweder nichts denken, oder nicht mich denken.
Das wird von nun an den Fortgang der Wissenschaftslehre bestimmen: Aus dem absoluten Wollen ist ein kategorisches Sollen geworden. 'Du sollst wollen' wäre absurd im Munde eines jeden, der es ausspricht. Ich soll wollen heißt nichts anderes als: Ich bin als ein Wol-lender vorbestimmt. 'Bedingt unfrei'? Weil er seinen ursprünglichen Akt der Freiheit, sein sich-selber-Setzen nicht wirklich anschauen kann, muss er sich (wenn er will) reflektierend "intellektuell" anschauen: ex post, als einen sich selbst voraus-Gesetzten.
Doch recht besehen bedeutet die Aufforderung zur Freiheit, die von der 'Reihe vernünftiger Wesen' an mich ergeht, nicht anderes als: "Du sollst wollen!"
JE, 21. 7. 18
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen