In meinen jungen Jahren war es üblich, Marx durch Hegel zu erklären: Er habe jenen "vom Kopf auf die Füße gestellt". Nach Marxens eigener (unrichtigen)* Auffassung hätte Hegel aus zwei Teilen bestanden, dem Fichte'schen Subjekt und der spinozischen Sub-stanz. Beim bloßen Vom-Kopf-auf-die-Füße würde sich daran nichts ändern, allenfalls würden die Seiten verkehrt. Die 'Substanz' gehörte aber ganz ausgeschieden, wenn Marx, wie er doch wollte, ein revolutionärer Denker war. Sie ist der Nistplatz aller Mystifikatio-nen und aller Reaktion. Und, was wissenschaftlich erheblicher ist, sie verhindert jedes Verständnis der Kritik der Politischen Ökonomie!
Die Kritik der Politischen Ökonomie verfährt wie alle Kritische Philosophie. Sie über-prüft die überkommenen Begriffe auf ihre Herkunft und Tragfähigkeit, und was sich nicht bewährt, wird verworfen: An den verselbständigten Kategorien wird gezeigt, dass und wie in ihnen absichtsvoll handelnde historische Subjekte verborgen sind. Dies ist die positive Ansicht der Kritik: Sie zeigt die Menschen tätig, wo die Apologetik zeitlose Form behauptet.
Als Weihrauch der ominösen Substanz dient die mystifizierte, weil schematisierte und automatisierte Dialektik. Sie ist das Perfideste an Hegels zusammengestohlenen Galima-tias. Die analytisch-synthetische Methode ist bei Fichte das Werkzeug in der Hand des Kritikers, mit dem er die verdinglichten Begriffe auseinandernimmt und die ihnen zu-grundeliegenden Vorstellungen freilegt. Bei Hegel ist sie "Selbstbewegung des Begriffs", die ohne tätiges Subjekt auskommt: Was als Subjekt erscheint, ist lediglich Agens der sich entfaltenden (und wieder zu- sammenfaltenden) Substanz. - Und in dieser Form konnte sie, als es soweit war, sich zum allbereiten Arkanum in Stalins "Dialektischem Materialis-mus" fügen.
*
Die Weltrevolution, um die es im Denken von Marx doch immer ging, hat nicht stattge-funden. Wenn sie ihre Zeit hatte, dann hat sie sie versäumt. Allerdings hat auch nicht die Kritik der Politischen Ökonomie sie postuliert noch postulieren können. Die Emanzipa-tion des Proletariats durch die kommunistische Revolution war nicht das gedankliche Re-sultat der Kritik, sondern lag ihr als Motiv zu Grunde. Die Kritik der Politischen Ökono-mie endet beim tendenziellen Fall der Profitrate, und der wird kommen, doch wann, ist theoretisch nicht abzusehen. Es kann auch sein, dass er niemals akut wird - und doch be-stimmt seine Tendenz das krisenhafte Auf und Ab der Weltwirtschaft heute so unmittel-bar wie nie.
Das Kapital ist kein Nachschlagwerk, aus dem man lesen kann, was morgen auf uns zu-kommt. Es ist eine Kritik, die erst mit ihrem Gegenstand hinfällig wird.
*) Diese Beschreibung träfe auf den jüngeren Schelling zu. Sie stammt auch nicht von Marx selbst, sondern von Moses Hess, dessen Kenntnisse lückenhaft waren. Marx hat sie später nie wieder aufgegriffen.
Die Kritik der Politischen Ökonomie verfährt wie alle Kritische Philosophie. Sie über-prüft die überkommenen Begriffe auf ihre Herkunft und Tragfähigkeit, und was sich nicht bewährt, wird verworfen: An den verselbständigten Kategorien wird gezeigt, dass und wie in ihnen absichtsvoll handelnde historische Subjekte verborgen sind. Dies ist die positive Ansicht der Kritik: Sie zeigt die Menschen tätig, wo die Apologetik zeitlose Form behauptet.
Als Weihrauch der ominösen Substanz dient die mystifizierte, weil schematisierte und automatisierte Dialektik. Sie ist das Perfideste an Hegels zusammengestohlenen Galima-tias. Die analytisch-synthetische Methode ist bei Fichte das Werkzeug in der Hand des Kritikers, mit dem er die verdinglichten Begriffe auseinandernimmt und die ihnen zu-grundeliegenden Vorstellungen freilegt. Bei Hegel ist sie "Selbstbewegung des Begriffs", die ohne tätiges Subjekt auskommt: Was als Subjekt erscheint, ist lediglich Agens der sich entfaltenden (und wieder zu- sammenfaltenden) Substanz. - Und in dieser Form konnte sie, als es soweit war, sich zum allbereiten Arkanum in Stalins "Dialektischem Materialis-mus" fügen.
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Die Weltrevolution, um die es im Denken von Marx doch immer ging, hat nicht stattge-funden. Wenn sie ihre Zeit hatte, dann hat sie sie versäumt. Allerdings hat auch nicht die Kritik der Politischen Ökonomie sie postuliert noch postulieren können. Die Emanzipa-tion des Proletariats durch die kommunistische Revolution war nicht das gedankliche Re-sultat der Kritik, sondern lag ihr als Motiv zu Grunde. Die Kritik der Politischen Ökono-mie endet beim tendenziellen Fall der Profitrate, und der wird kommen, doch wann, ist theoretisch nicht abzusehen. Es kann auch sein, dass er niemals akut wird - und doch be-stimmt seine Tendenz das krisenhafte Auf und Ab der Weltwirtschaft heute so unmittel-bar wie nie.
Das Kapital ist kein Nachschlagwerk, aus dem man lesen kann, was morgen auf uns zu-kommt. Es ist eine Kritik, die erst mit ihrem Gegenstand hinfällig wird.
*) Diese Beschreibung träfe auf den jüngeren Schelling zu. Sie stammt auch nicht von Marx selbst, sondern von Moses Hess, dessen Kenntnisse lückenhaft waren. Marx hat sie später nie wieder aufgegriffen.
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