Samstag, 3. Dezember 2022

...ein Schweben zwischen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexionsmomenten.

                                                       zu Philosophierungen
3. 

So gewiss ich die Aufforderung begreife, finde ich mich als Subjekt mit dem Prädikate der zu findenden Frei- heit. Was heißt das, ich finde mich? (Durch bloße Analyse muss die Notwendigkeit des Anknüpfens gezeigt werden.) Was müsste ich denn erkennen, um das sagen zu können? Ichheit besteht in der absoluten Identität des Idealen und Realen, sie ist eine Intelligenz außer dem entstehenden Bewusstsein nur für den Philosophen; aber wie wird sie für das Ich, das wir konstruieren? Wie kommen wir dazu, den absolut unmittelba-ren, den ersten Punkt desselben aufzuzeigen?

Jetzt ist die Rede vom Formalen. - Ich finde mich, heißt: Das Ideale und das Reale wird gefunden als identisch; oder: Es erscheint mir im Denken ein Sein durchs Denken; durchs Denken erscheint ein Sein, heißt: Ich denke und es wird. Dadurch wird also der Wille aus-gedrückt, der denn doch ein bloßes Denken ist, und in dem sich durch diese Synthesis des Denkens mit dem Sein das Denken in eine Erscheinung des Wollens verwandelt. Aus die-sem hervorgebrachten Sein erfolgt ein anderes Denken; ich nehme das Sein unmittelbar wahr; z. B. meine Hand bewegt sich, heißt: Ich denke meine Hand als bewegt und sie be-wegt sich. - 

Ich will meine Hand bewegen, heißt: Ich denke meine Hand als durch unmittelbare Wahr-nehmung und Willkür bewegbar. Den Unterschied dieser zwei Denkungsarten aufzuzei-gen ist hier unser Zweck. Worterklärungen des Willens sind bekannt genug, z. B. das Wol-len ist Denken eines Zweckbegriffs; das erste ist ideales, das letzteres reales Denken. Das Denken des Zwecks ist Übergang der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit; das Denken der Bestimmbarkeit ist ein Schweben zwischen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexions-momenten. 

Im Denken des Zwecks gehet man eben zum Denken des Bestimmten aus diesem Be-stimmbaren über. Es ist also das Denken des Zwecks ein freies Denken. Die Bestimm-barkeit ist lediglich für mein Denken, und ihre Form ist unfixiertes Schweben zwischen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexionsmomenten; das Wollende ist auch das Den-kende, durch welches zu-//183//erst dieses Schweben fixiert und in einem einzigen Punkt kontrahiert wird.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 182f. 


Nota. - Wirklich ist eigentlich immer nur das Schweben: dasjenige, wo Bewegung ist, wo etwas geschieht; es ist aktuale Tätigkeit. Ein Schweben zwischen Zweien: Die Fixpunkte werden als solche nur gedacht. Denn gedacht - angeschaut und begriffen - werden kann das Wirkliche, das Tätigkeit ist, nur so; nur interpunktiert; nicht als Fluss, sondern in Sprüngen. Hier findet im Denken eine Umkehrung statt: Das Fixe, das nur gedacht wird, kommt dem Denken als das Eigentliche vor, die aktuale Tätigkeit, das "Schweben", als hinzugedachtes Akzidens.

Bestimmt und bestimmbar sind Reflexionsmomente. Real ist das Übergehen vom Einen zum Andern: bestimmen.

15. 2. 17


Nota II. - Was immer mir wirklich begegnet, schwebt: zwischen Bestimmbarkeit und Bestimmtheit. Ich kann durch aktuelles Bestimmen das Schweben immer nur vorantrei-ben, aber nicht wirklich Sistieren.
JE


 

Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

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