Sonntag, 14. Dezember 2025

Ursache und Absicht aller Philosophie.

                                                                 zu Philosophierungen

1) Was kann ich wissen?
2) Was soll ich thun?
3) Was darf ich hoffen?
4) Was ist der Mensch?

Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte
die Religion und die vierte die Anthropologie. Im Grunde könnte man aber
alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich die drei ersten Fragen auf
die letzte beziehen.

Immanuel Kant's Logik, in ders., Akademie-Ausgabe IX, S. 25

Die anthropologische Fragestellung war der Urheber allen Philosophierens. Das war den ersten und selbst den späteren Philosophen nicht bewusst. Doch die Kant'sche koperni-kanische Wendung der Philosophie mit der Frage Was ist Vernunft?  konnte an der Frage-stellung Warum will man wissen? nicht vorbeigehen. Man will wissen, um das tun zu kön-nen, was man tun soll

Das Problem ist nämlich: Das Wollen der Menschen ist frei. Es ist nicht nur das praktische Problem eines jeden Lebenden, sondern zugleich das theoretische Problem einer Wissen-schaft "vom Menschen". Denn entweder ist das, was der Mensch ist, vorgegeben von seiner 'Natur' (über die man zu streiten nie müde wird), oder er ist frei, das zu tun, was er als das Richtige selber erachtet.

Aus dem Dilemma kann die empirische Forschung nicht herausfinden. Die paradoxe Lö-sung, dass er von Natur zur Freiheit verurteilt ist, wäre nicht ihre Sache, sondern die der Philosophie. 

Dennoch, wer keinen Satz in Tomasellos Darlegung sachlich bestreitet, könnte einwenden: So ist es; aber es ist nicht richtig so; es sollte anders sein. - Was kann die Empirie dagegen vorbringen?

Dass es so ist, ist aber das eigentlich Einzigartige am Menschen; doch nur, wenn er es wählt.
Kommentar zu Wir sind schon ziemlich einzigartig, JE. 7. 11. 20 

 

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Samstag, 13. Dezember 2025

Das Gefühl ist das erste Objekt unsrer Reflexion; daraus ergibt sich viererlei.

Eberlein, Vom Skorpion gestochen            aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Wir haben als Grundzustand abgeleitet ein Gefühl, an welches alles übrige geknüpft wird. Das Gefühl ist das erste un/mittelbare Objekt unsrer Reflexion. Das Ich fühlt sich, und zwar ganz. Aber das Ich ist, wie wir wissen, praktisch und ideal, welches beides jetzt erst geteilt wird vermittelst des Gefühls. Das Ich fühlt sich zuvörderst praktisch, dies ist eigent-lich das unmittelbare Gefühl, in welchem Gefühl der Beschränktheit und des Strebens ver-einigt ist. 

Aber das Ich fühlt sich ganz, also auch ideal und insofern anschauend, in welcher Anschau-ung nun abermals Beschränktheit und Streben vereinigt sein muss. Sonach finden sich da abermals vier Stücke: Gefühl der Beschränktheit, Gefühl des Strebens, Anschauung des bestimmten Objekts, Anschauung des Ideals. Diese vier Stück sind notwendig vereinigt, eins kann ohne das andere nicht sein. 

In der Zukunft werden wir sehen, dass noch mehr hinzu kommen muss. 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 86f.  



Nota. - Zuerst ist da ein Gefühl, und weil das Ich strebend ist, ist es zugleich ein Gefühl der Beschränktheit und eins der Freiheit. Erst durch das Gefühl teilt sich das Ich in eine 'reale', praktische Tätigkeit und eine ideale Tätigkeit: Anschauung. Die Anschauung der praktischen Tätigkeit wird zur Anschauung eines je bestimmten Objekts, die Anschauung der idealen Tä-tigkeit (=der Anschauung) wird zur Anschauung der Idee, d. h. eines Suchens.
JE, 24. 9. 16 

 

 

Freitag, 12. Dezember 2025

"Setzen".

 obi.de                            zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Nichts ist "überhaupt" oder an sich gesetzt. Es ist gesetzt von einem für einen an einer Stelle: anders ist gesetzt sein ohne Bedeutung. Wenn also ich mich in mich hinein 'setze', kann ich in mich nicht zugleich ein Nich-Ich setzen, weil es mein Ich aufhöbe. Doch so soll - und muss, wenn ein Bewusstsein zustande kommen soll - es geschehen. Dem setzenden Ich muss also das Vermögen zugeschrieben werden, Entgegengesetzte in sich neben ein-ander zu setzen, ohne dass sie sich aufheben: 'synthetisch'.

Hier wird der substanzielle Unterschied von Fichtes genetischem analytisch-synthetischen Verfahren zur Dogmatik der Hegel'schen Begriffslogik deutlich. Knüpfen wir die Begriffe mit logischer Folgerichtigkeit aneinander, dann entsteht ein Widerspruch. Das eine kann nicht bestehen, wenn das andere besteht. Logisch würden sie einander aufheben und es bliebe... nichts übrig. So soll es bei Hegel aber nicht sein. Sie heben einander 'auf' heißt: auf eine höhere Stufe. Es wird etwas Neues daraus von einer Höheren Qualität. Verstehe, wer kann, das ist mystisch, das ist Hokuspokus, das kann man allenfalls glauben; muss man aber nicht.

Die genetische Methode bedient sich nicht vorgegebener Begriffe, sondern bringt tätig Vor-stellungen aus einander hervor. Ich stelle mir zwei Entgegengetzte vor; ich soll sie mir zu-gleich und an derselben Stelle vorstellen ('setzen'). Dann muss ich sie mir als bestimmte Mengen vorstellen, die nebeneinander im selben Raum Platz haben. 

Das wäre eine triviale Lösung, blieben sie auf diese Weise in meiner Vorstellung nicht ein-ander immer noch auf engstem Raum entgegen gesetzt! Zur Ruhe können sie so nicht kom-men, da muss ich mir eine Energie vorstellen - und dass sie mich zu weiterem Vorstellen antreibt.

Der Unterschied ist: Beim genetischen Verfahren Fichtes bleibt stets das vorstellende Ich tätig; während in der dogmatischen Dialektik das tätige Subjekt in den Begriffen begraben ist.
Kommentar zu Genetisches Verfahren und dogmatische Begriffsdialektik. JE, 6. Juni 2019

 

Donnerstag, 11. Dezember 2025

Positiv ist das Sinnliche.

Eberlein, Faun vom Krebs gezwickt              zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Eigentlich wird das Entgegengesetzte nicht gefühlt, sondern ich fühle mich als beschränkt, auf das Entgegengesetzte wird erst als Grund der Beschränkung geschlossen. Das Positive in den Dingen ist schlechterdings weiter nichts, als was sich auf unser Gefühl bezieht, dass etwas rot ist, kann nicht abgeleitet werden, dass aber die Gegenstände in Raum und Zeit und in gewissen Beziehungen gegeneinander sind, kann abgeleitet werde.
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J. G Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 71f. 


Nota I. - Positiv heißt nicht gut und richtig, sondern kommt von lat. ponere, setzen. Das Positive ist das mir vor Gesetzte.
31. 8. 14

Nota II. - Gefühlt wird kein Gegenstand, sondern lediglich der Widerstand, auf den meine Tätigkeit stößt. Nichts anderes verbürgt mir die Realität der Welt - denn es verbürgt zu-gleich die Realität meiner Tätigkeit. Das Gefühl von einem Widerstand ist das erste und einzige Objektivum, von dem meine Vorstellung ausgehen kann.*
JE, 29. 5. 20

*) an sich und für sich

  

Mittwoch, 10. Dezember 2025

Gesellschaftlich gültig.

                                                                             aus Marxiana

Gesellschaftlich gültig ist ein Bedürfnis, das durch Tausch befriedigt wird.

Das ist eine Tautologie. Durch Tausch wird ein individuelles Ding zu einem gesellschaftli-chen, sofern nämlich die Gesellschaft selbst auf den Tausch gegründet ist. Es behauptet dann einen Platz im Gesamtzusammenhang, den es an sich sich nicht hätte. Und das Sub-jekt, für das es durch den Tausch zum Gebrauchswert wurde, wird ipso facto zu einem ge-sellschaftlichen: zu einem Austauschenden. Wenn einer Durst hat, eine Quelle findet und daraus trinkt, ist das kein gesellschaftliches Vorkommnis.

Das alles sind analytische Aussagen: Sie analysieren einzelne Bestimmungen, die sich aus dem Begriff der Gesellschaft ergeben - aus dem Begriff dieser Gesellschaft.

Aber die(se) Gesellschaft ergibt sich nicht aus ihrem Begriff. Es ist umgekehrt. Erst werden Dinge getauscht, dann entsteht daraus ein allgemeiner Austausch, ein Markt, und schließlich kann der prozessierende Realzusammenhang, der sich daraus entwickelt, als Eine Gesell-schaft begriffen werden.  

(NB: Ohne diesen Realzusammenhang kann nur allegorisch von 'Gesellschaft' gesprochen werden: in Hinblick darauf, dass und in welcher Weise eine Menschengemeinde dem Bild verallgemeinerten Austauschs 'ähnlich sieht'.)
30. 10. 16 




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Dienstag, 9. Dezember 2025

Geltung ist realer als Sein.

Harald Lapp, pixelio.de                                                       aus Philosophierungen
 

Es wurde beanstandet, dass ich Geltung und Bedeutung logisch nicht genügend ausein-anderhielte.

Das ist aber auch richtig so. Denn nur Bedeutung gilt. Alles, was sonst vorkommt, ist. Und Bedeutung gilt immer nur als Urteilsgrund für eine mögliche Handlung. Geltung ist eine praktische Kategorie.
26. 11. 13

Nachtrag: Für das Tier ist diese Unterscheidung sinnlos. Was die Dinge ihm in seiner Um-weltnische bedeuten, gehört zu deren Sein. Es kann davon nicht absehen.
22. 12. 17

Bedeutungen kann man von einander unterscheiden: Es gibt sie wirklich; nämlich irgend-wem, irgendwann haben sie für irgendeine Handlung gegolten. Geltung gibt es nicht wirk-lich, woran wollte man denn eine von der andern unterscheiden? In der Wirklichkeit gilt nur jeweils etwas; jetzt dieses, dann jenes. So wenig man dieses von jenem unterscheiden kann, kann man sie auch zusammenfassen. Gemeinsam ist ihnen nur, dass Leute handeln, da kann man sie bemerken, jedes für sich. Am Gelten sind Form und Qualität ununterscheidbar. 

28. 1. 19

Bedeutung gilt für einen, der tätig ist - als Bestimmung seiner Tätigkeit. Ein Sein kommt einem Tätigen nur vor als ein Widerstand gegen seine Tätigkeit. Erst durch diesen Wider-stand bekundet ein Etwas sein Da Sein. Erst als Widerstand wird etwas re al. Seiner Realität voraus geht - meine Tätigkeit: die, zu der ich mich bestimmt habe. Sie ist der Urheber aller Realität. Sein ist dagegen bloß virtuell - es bedarf meiner Tätigkeit, um wirklich zu werden.
29. 5. 20

Sein Widerstand wird durch meine Tätigkeit, und meine Tätigkeit wird durch seinen Widerstand bezeugt: beides durch das Gefühl.

 

Montag, 8. Dezember 2025

Omnis determinatio…

 
Heinz Michael Möller                                                                                                         Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Zu einem Diesen wird etwas erst, wenn ‘es’ aus dem gleich-gültigen Brei des Sich-von-selbst-Verstehenden herausgehoben wurde, indem es in Frage geriet. Omnis determinatio est affirmatio post interrogationem..
Mai 26, 2010 

Nachtrag.  Das gilt für den Bürger unserer realen Welt, nämlich für einen aus der Reihe vernünftiger Wesen. Für den gilt a priori, dass alles, was erscheint, eine Bedeutung schon hat - in seinem Begriff nämlich; und nach dem muss er gelegentlich erst fragen.

Anders für das Ich der Transzendentalphilosophie: Das muss die Begriffe durch Bestimmen des Unbestimmten erst hervorbringen. Bestimmen geschieht aber durch Entgegensetzen und das Ausscheiden eines der beiden zu Gunsten des andern. Es ist insofern ebenfalls Ne-gation - aber von einem zuvor Gesetzten. Der positive Akt, actus ponens, steht an erster Stelle, vorher keine Negatio noch Affirmatio.
28. 5. 20





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Sonntag, 7. Dezember 2025

Vorstellen oder bloß kombinieren.

                             zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Die begriffs-logische Auffassung ist: Omnis determinatio est negatio.
Die vorstellungs-genetische Auffassung sagt, ein Unbestimmtes entsteht überhaupt erst durch Bestimmung – als das übrigbleibende Bestimmbare.

31. 10. 15


Das Sein und das Nichts, das Positive und das Negative, Tun und Nichtstun sind nicht on-tologisch gleichrangig. Zuerst muss etwas gesetzt worden sein, bevor es einer bestreiten kann. Die dialektische Bewegung geschieht nicht von allein; es muss sie einer angefangen haben - und immer wieder neu beginnen. Sie ist gar nichts anderes als ein immer-fort-Be-stimmen.
28. 5. 20



Nota.
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Samstag, 6. Dezember 2025

Der Geist.

                                                                         aus Philosophierungen

Der Geist führt einen ewigen Selbstbeweis.
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aus: Fragmente, Athenaeum, I. Bd., 2. Stück


Warum dieses? 
Weil ihn die Widerständigkeit der Dinge ohne Unterlass Lügen straft. Er kann sich nur als Kämpfer behaupten; ohne Unterlass und an jedem Ding neu.
1. 5. 20 
 


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Ursache und Absicht aller Philosophie.

                                                                  zu Philosophierungen 1) Was kann ich wissen? 2) Was soll ich thun? 3) Wa...