Ein Begriff, der uns in die intelligible Welt führt (ein Noumen)
wäre also etwas, das durch bloßes Denken hervorgebracht würde; so wie
die Begriffe der äußeren Gegenstände, von denen wir behaupten, dass sie
nicht durch bloßes Denken hervorgebracht werden, sinnliche heißen.
Daher, dass Kant unterließ, diese Frage zu beantworten: Woher kommt das
Nou-men?, kam es auch, dass er die intelligible Anschauung leugnete (vide Hülsen über die Preis-aufgabe Was hat die die Metaphysik seit Leibniz und Wolff für Progressen gemacht?).
Solche Begriffe könnte
man auch reine Begriffe und das Vermögen dazu reine Vernunft nennen. Da
die Wissenschaftslehre es mit dem ganzen Umfange des Bewusstseins zu tun
hat, so muss sie nicht nur die Begriffe der Noumenen, sondern auch der Phaenomene dar-stellen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 125
Samstag, 18. Januar 2025
Das Ich ist kein Spiegel, sondern ein Auge.
Das Ich der
bisherigen Philosophen ist ein Spiegel, nun aber sieht der Spiegel nichts,
darum wird bei ihnen das Anschauen, das Sehen nicht erklärt, es wird bei ihnen
nur der Begriff des Abspiegelns gesetzt. Dieser Fehler kann nur gehoben werden
durch den richtigen Begriff vom Ich. Das Ich
der Wissenschaftslehre ist kein Spiegel, es ist ein
Auge.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre
nova methodo, Hamburg 1982, S. 54
Nota I. -
Der Spiegel gibt nur das Bild wieder, das in ihn fällt. Wer hat ihn wie
aufgestellt? Äußerstenfalls der Zufall. Das Auge sieht nicht einfach,
was in seinem Gesichtskreis vor-kommt. Es muss seinen Gesichtskreis
selbst bestimmen. Ein Blick ist schlechterdings ge-richtet. Und
das Auge nimmt eher wahr, was es erwartet, als was es gar nicht kennt.
Oder im Gegenteil das, was noch niemals dagewesen ist! Das Auge bildet
nicht einfach ab, son-dern bildet.
23. 8. 18
Nota II. - Doch bloß ein Auge ist das Ich auch nicht, sondern - wie man so sagt - eine In-telligenz, die, wie das Wort andeutet, 'in das Bild hinein' sieht, genauer: die etwas (Akk.) in das Bild hinein sieht.
Der Star sieht eine Kirsche, das ist das Bild, das ihm ins Auge fällt. Hinzu fügt seine Intel-ligenz: picken! Das hat ihm die Evolution seiner Gattung so angestammt. Uns Menschen hat die Evolution unserer Gattung die Fähigkeit angestammt, aus dem Bild der Kirsche et-was zu machen; eine Kirschtorte zum Beispiel oder einen Likör - aber wir könnten sie auch lediglich verzehren und den Kern dabei ausspucken. Denn das Bild der Kirsche können wir auf einer Folie festhalten und mit andern Bildern vergleichen, die wir vorher schon gespei-chert hatten - und mit dem, was wir vorher schon 'aus ihnen gemacht' haben: Das nennt man Reflexion, und ihr Ergebnis ist eine Bedeutung.
Das setzt nicht bloß voraus die Fähigkeit, Bilder zu speichern, sondern schon die Absicht, in eine Welt zu blicken, um Bilder zu speichern, aus denen wir was machen wollen. Und streng genommen wird dadurch der unendliche Raum, aus dem wir mannigfache Bilder erwarten, erst zu einer Welt - zu einer Welt und zu einer Welt.
JE 16. 1. 25
Immer nur Durchgänge, aber kein Zugang.
Das freie Räsonnement kann jene Erkenntnis nur durchleuchten, läutern, verknüpfen und trennen, das Mannigfaltige derselben, und dadurch den Gebrauch desselben sich erleichtern und sich fertiger darin machen: aber sie [sic] kann es nicht vermehren. Unsere Erkenntnis ist uns mit einem Male, für alle Ewigkeit gegeben, und wir können dieselbe nur weiter entwik-keln, den Stoff nur aus eben diesem Stoff vermehren.
Nur das Unmittelbare ist wahr: und das Vermittelte ist wahr, inwiefern es sich auf jenes gründet, außerdem Schimäre und Hirngespinst.
*) Das Leben ist die Basis: und wenig bedeuten die Worte.
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 138f.]
Nota. - Unsere Erkenntnis sei uns mit einem Male, für alle Ewigkeit gegeben - das klingt anstößig. So, als sei sie 'an sich' da und könne mit Eifer nur noch entborgen werden. So hat er es in einem gewissen Sinne auch gemeint: Raum unserer Erkenntnis ist unsere Vorstel-lung, aus der - "über die" - kommen wir nicht hinaus. Sie ist aller Stoff, über den wir verfü-gen können, wir können ihn 'quantifizieren', vermannigfaltigen, aber nicht vermehren. Jen-seits ist nichts, was gewusst werden könnte.
Die Wissenschaftslehre fügt materialiter nichts hinzu, sondern lediglich - dass es so sei. Greift die Erkenntnis in mein Leben ein? Ja, wenn ich es will. Sie setzt mich gewissermaßen auf den ironischen Standpunkt; ich werde die Welt nicht aus lauter Zugängen bestehend finden, sondern wieder, wie nach Nietzsche die Kinder, aus lauter Durchgängen.
JE, 28. 8. 19
Nota - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE
Freitag, 17. Januar 2025
Der Zweck allen Philosophierens.
Ich darf Ihnen wohl jetzt ohne Beweis sagen, was mehreren unter Ihnen
ohne Zweifel schon längst bewiesen ist, und was andere dunkel, aber
darum nicht weniger stark fühlen, dass die ganze Philosophie, dass alles
menschliche Denken und Lehren, dass Ihr ganzes Studiren, dass alles,
was ich insbesondere Ihnen je werde vortragen können, auf nichts an-deres
abzwecken kann, als auf die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, und
ganz be-sonders der letzten höchsten: Welches ist die Bestimmung des Menschen überhaupt, und durch welche Mittel kann er sie am sichersten
erreichen?
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J. G. Fichte, Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, SW VI, S. 294
Nota. - Das ist Meta philosophie schlechthin. Wenn das Philosophieren seinen Zweck er-reicht hat, ist es Anthropologie
geworden. Was ist der Weg zu diesem Zweck? Die Vorstel-lung reinigen von
allem Selbstverständlichen und zu schnell Einleuchtenden; mit andern
Worten: Kritik.
JE, 3. 5. 18
Mittwoch, 15. Januar 2025
Beginnt die Wissenschaftslehre analytisch? (Die alte und die neue Methode.)
Ehe wir unseren Weg antreten, eine kurze Reflexion über denselben! – Wir haben nun drei logische Grundsätze; den der Identität, welcher alle übrigen begründet; und dann die bei-den, welche sich selbst gegenseitig in jenem begründen, den des Gegensetzens, und den des Grundes aufgestellt. Die beiden letzteren machen das synthetische Verfahren überhaupt erst möglich; stellen auf und begründen die Form desselben. Wir bedürfen demnach, um der formalen Gültigkeit unseres Verfahrens in der Reflexion sicher zu seyn, nichts weiter. – Ebenso ist in der ersten synthetischen Handlung, der Grundsynthesis (der des Ich und Nicht-Ich), ein Gehalt für alle mögliche künftige Synthesen aufgestellt, und wir bedürfen auch von dieser Seite nichts weiter. Aus jener Grundsynthesis muss alles sich entwickeln lassen, was in das Gebiet der Wissenschaftslehre gehören soll.
Soll sich aber etwas aus ihr entwickeln lassen, so müssen in den durch sie vereinigten Be-griffen noch andere enthalten liegen, die bis jetzt nicht aufgestellt sind; und unsere Aufgabe ist die, sie zu finden. Dabei verfahrt [sic] man nun auf folgende Art. – Nach § 3. entstehen alle synthetische Begriffe durch Vereinigung entgegengesetzter. Man müsste demnach zu-vörderst solche entgegengesetzte Merkmale der aufgestellten Begriffe (hier des Ich und des Nicht-Ich, insofern sie als sich gegenseitig bestimmend gesetzt sind) aufsuchen; und dies geschieht durch Reflexion, die eine willkürliche Handlung unseres Geistes ist. –
Aufsuchen, sagte ich; es wird demnach vorausgesetzt, dass sie schon vorhanden sind, und nicht etwa / durch unsere Reflexion erst gemacht und erkünstelt werden (welches über-haupt die Reflexion gar nicht vermag), d.h. es wird eine ursprünglich nothwendige anti-thetische Handlung des Ich vorausgesetzt.
Die Reflexion hat diese antithetische Handlung aufzustellen: und sie ist insofern zuvörderst analytisch. Nemlich entgegengesetzte Merkmale, die in einem bestimmten Begriffe = A ent-halten sind, als entgegengesetzt durch Re- flexion zum deutlichen Bewusstseyn erheben, heisst: den Begriff A analysiren.
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J. G. Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW Bd. I, S. 123f.
Nota. - Hier in der Grundlage operiert Fichte noch unbefangen mit Begriffen. Dass er sie zuvor aus der tätigen Vorstellung hätte herleiten müssen, ist ihm erst nachträglich klarge-worden, und er hat sich an den Vortrag der Nova methodo gemacht.
Hier also geht er noch umgekehrt vor. Er beginnt bei Begriffen und
zerlegt sie in ihre Be-dingungen. Es ist das dialektische Verfahren a tergo. Es
nimmt die Synthesis als gegeben und analysiert die Gegensätze, aus
denen sie entstanden ist. Dass aber einer sie einander entgegen gesetzt haben muss, kommt so nur mühsam in den Blick.
Der Grund ist der: Er trägt schon das System vor, von dem er sich ein vorläufiges Bild ge-macht hat; nämlich als ein Gegebenes. In Nova methodo dagegen
entwirft er dieses Bild Schritt für Schritt vor unseren Augen, und es
wird deutlich, dass es nicht nur ein vorläufiges, vorschwebendes,
sondern vor allem ein noch zu machendes ist. Er beginnt nicht bei
Be-stimmtem, sondern beginnt zu bestimmen. Das heißt, synthetisch.
Der dialektische Witz dabei ist, dass die Transzendentalphilosophie alias Vernunftkritik historisch ja wirklich
beim gegebenen System der Begriffe begonnen hat und anderswo gar nicht
beginnen konnte. Aber die analytische Reduktion des wirklichen Wissens
auf seine erste, letzte Bedingung, von der allein nicht mehr abgesehen
werden kann - das transzen-dentale Ich - ist nur eine plausible Hypothese. Die
Probe auf Exempel wäre erst, wenn sich aus dieser einen, einzigen
Bedingung das System unseres Wissens wirklich rekonstruieren lässt. Und
das unternimmt Nova Methodo.
JE 14. 8. 18
Kritik ist Reflexion: Sichtung und Wertung des Vorgefundenen .
Soll sich aber etwas aus ihr entwickeln lassen, so müssen in den durch sie vereinigten Be-griffen noch andere enthalten liegen, die bis jetzt nicht aufgestellt sind; und unsere Auf-gabe ist die, sie zu finden. Dabei verfahrt man nun auf folgende Art. – Nach § 3. entstehen alle synthetische Begriffe durch Vereinigung entgegengesetzter. Man müsste demnach zu-vörderst solche entgegengesetzte Merkmale der aufgestellten Begriffe (hier des Ich und des Nicht-Ich, insofern sie als sich gegenseitig bestimmend gesetzt sind) aufsuchen; und dies geschieht durch Reflexion, die eine willkürliche Handlung unseres Geistes ist. –
Aufsuchen, sagte ich; es wird demnach vorausgesetzt, dass sie schon vorhanden sind, und nicht etwa / durch unsere Reflexion erst gemacht und erkünstelt werden (welches über-haupt die Reflexion gar nicht vermag), d.h. es wird eine ursprünglich nothwendige anti-thetische Handlung des Ich vorausgesetzt.
Die Reflexion hat diese antithetische Handlung aufzustellen: und sie ist insofern zuvörderst analytisch. Nemlich entgegengesetzte Merkmale, die in einem bestimmten Begriffe = A ent-halten sind, als entgegengesetzt durch Reflexion zum deutlichen Bewusstseyn erheben, heisst: den Begriff A analysiren.
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J. G. Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW Bd. I, S. 123 f.
Nota I. - Der erste Gang der Vernunftkritik, den zur Hälfte bereits Kant zurückgelegt hatte, ist Kritik, und das heißt Reflexion - und verfährt daher analytisch. Ihr Weg ist aufsuchen und auffinden: Es gilt, die Erscheinungen des vernünftigen Denken hinab zu verfolgen bis auf ihren Ursprung. Vernunft ist gegeben als eine Große Synthesis, und da Synthesis ge-schieht durch die Vereinigung Entgegengesetzter, muss Analyse verfahren als Zerlegung der je Gegebenen in zwei Entgegengesetzte.
Die letzte (bzw. erste) Synthesis, die die Analyse vorfindet, ist der Gegensatz Ich-Nichtich. Er ist eine ursprüngliche Zerteilung. Dieser voraus muss gedacht werden eine Ursynthesis als das Was der Ur-Teilung. Die Ur-Synthesis ist eine Selbstsetzung, die wiederum nur denk-bar ist als Selbstentgegensetzung. Auf diesem ihren Grund angekommen, beginnt als zwei-ter Gang der Wissenschaftslehre die Rekonstruktion des Ganges der Vernunft bis zum Stand unseres gegenwärtigen Wissens.
29. 4. 18
Nota II. - Hier befinden wir uns noch in der Darstellung der Grundlage.... Die folgt noch dem akademischen Kanon, der bei Begriffen, nämlich ihren (durch wen autorisierten?) De-finitionen anfängt. Der wirkliche Gang der Vernunft leitet jedoch nicht folgende Begriffe aus den ihnen vorhergehenden ab, sondern entwickelt aus elementaren Vorstellungen be-stimmtere Vorstellungen. Es ist das Vorstellen selbst, aus der die Entwicklungsdynamik stammt: die Einbildungskraft, die sich-selbst bestimmt. Reflexion ist nichts anderes als die Rückwendung des Einbildens auf sich selbst: Es "macht was" aus sich.
Die WL nova methodo beginnt dagegen richtigerweise mit dem Vorstellen selbst: dem Einbilden.
Die Wissenschaftslehre zeichnet den Gang des fortschreitenden
sich-Bestim-mens des Einbildens/Vorstellens nach. Je bestimmter die
Vorstellung wird, umso begriffe-ner ist sie. Geht nun das Einbilden/Vorstellen auf sich selbst, begegnet es sich als einem Vorgefundenen, das es zu analysieren gilt.
7. 10. 21
Nota III. - Der zweite, synthetische Gang der Wissenschaftslehre hat dem zu kritisierenden Material - dem historisch vorgefundenen System der Vernunft - nichts hinzugefügt. Er ist lediglich eine Verifizierung der durchgeführten Analyse und folglich selber Kritik und keine Spekulation.
JE
Dienstag, 14. Januar 2025
Die ganze Transzendentalphilosophie ist (nichts als) Kritik.
zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Die ganze Wissenschaftslehre ist Vernunftkritik - nicht nur ihr erster, analytischer Gang, sondern der zweite, synthetische Gang
ebenso. Kritik heißt nicht Beanstandung und Haare in der Suppe suchen,
sondern Prüfung und Wertung. Die Vernunftkritik ist erst dann
voll-endet, wenn auf die Analyse, die zur Tathandlung
des Ich geführt hatte, die bereinigte Re-konstruktion der ganzen
Vernunft, die wir die unsre nennen, gefolgt ist. Dann ist die Ver-nunft
verstanden, bewertet und wiederhergestellt.
17. 3. 20
Montag, 13. Januar 2025
Eine idiographische Geisteswissenschaft.
Der Gegensatz zwischen der Kritik der Politischen Ökonomie und der Politischen Ökono-mie selbst lässt sich ausdrücken als der Gegensatz zwischen einer "nomothetischen" und einer "idiographischen" Wissenschaft. Nämlich so, dass die Politische Ökonomie glaubt, die Naturgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung zur Darstellung zu bringen - vgl. Mira-beaus Rede am Grab von Dr. Quesnay -, wohingegen Marx ganz ausdrücklich nur die "Be-wegungsgesetze" dieser besondern Gesellschaftsformation, dieser historischen Individual-gestalt "analysiert": und zwar gerade nicht als die immanenten Bewegungsgesetze "der Sa-chen selbst", sondern sie "versteht" als die typischen Handlungsweisen - "Verkehrsformen" - der austauschenden Individuen.
Und diese 'Handlungsweisen' werden folgerichtig eben nicht aus ihren 'Ursachen' "begrif-fen", sondern aus ihren Zwecken verstanden. Die Kritik der Politischen Ökonomie ist die verstehende Deutung einer besonderen historischen Gestalt: Sie handelt nicht von "Geset-zen", die in ihr kausal wirken, sondern von den Zwecken ("Werten"!!!), die in ihr als be-stimmend gelten; sofern sie also mit "Gesetzen" zu tun hat, ist sie nicht nomo"thetisch", sondern allenfalls nomographisch.
Also ob man die Distinktion Diltheys oder Windelbands zugrundlegt, ist hier ganz wurscht. Freilich, dass es sich bei der "klassischen" Ökonomie um einer Geistes wissenschaft handelt, die sich als eine Natur wissenschaft missversteht - diese kritische Einsicht lässt sich mit Windelbands Begriffen klarer fassen.
22. 7. 88
Sonntag, 12. Januar 2025
Das abstrakte bürgerliche Subjekt.
ckrumlov aus Marxiana
a) Der vorliegende Gegenstand zunächst die materielle Produktion.
In Gesellschaft
produzierende Individuen - daher gesellschaftlich bestimmte Produktion
der Individuen ist natürlich der Ausgangspunkt. Der einzelne und
vereinzelte Jäger und Fischer, womit Smith und Ricardo beginnen,
gehört zu den phantasielosen Einbildungen der
18.-Jahrhundert-Robinsonaden, die keineswegs, wie Kulturhistoriker sich
einbilden, bloß einen Rückschlag gegen Überverfeinerung und Rückkehr zu
einem mißverstandnen Naturleben ausdrücken. So wenig wie Rousseaus
contrat social, der die von Natur independenten Sub-jekte durch Vertrag
in Verhältnis und Verbindung bringt, auf solchem Naturalismus beruht.
Dies Schein und nur der
ästhetische Schein der kleinen und großen Robinsonaden. Es ist vielmehr
die Vorwegnahme der "bürgerlichen Gesellschaft", die seit dem 16.
Jahrhundert sich vorbereitete und im 18. Riesenschritte zu ihrer Reife
machte. In dieser Gesellschaft der freien Konkurrenz erscheint der
Einzelne losgelöst von den Naturbanden usw. die ihn in früheren
Geschichtsepochen zum Zubehör eines bestimmten begrenzten menschlichen
Konglomerats machen. Den Propheten des 18. Jahrhunderts, auf deren
Schultern Smith und Ricardo noch ganz stehn, schwebt dieses Individuum
des 18. Jahrhunderts - das Pro-dukt einerseits der Auflösung der feudalen
Gesellschaftsformen, andrerseits der seit dem 16. Jahrhundert neu
entwickelten Produktivkräfte - als Ideal vor, dessen Existenz eine
ver-gangne sei. Nicht als ein historisches Resultat, sondern als
Ausgangspunkt der Geschichte.
Weil als das
naturgemäße Individuum, angemessen ihrer Vorstellung von der
menschlichen Natur, nicht als ein geschichtlich entstehendes, sondern
von der Natur gesetztes. Diese Täu-schung ist jeder neuen Epoche bisher
eigen /
gewesen. Steuart, der in mancher Hinsicht im Gegensatz zum 18.
Jahrhundert und als Aristokrat mehr auf historischem Boden steht, hat
diese Einfältigkeit vermieden.
__________________________________________________________________
K. Marx, aus Einleitung [zur Kritik der Politischen Ökonomie] in MEW 13, S. 615f.
Nota. - Das abstrakte bürgerliche Individuum ist das abstrakte Subjekt der Vernunft. Als
"Robinson" geistert es durch die diversen Selbstvertändigungen der
bürgerliche Gesell-schaft; durch die rein apologetischen als 'Ideal,
dessen Existenz eine vergangne sei'. Kritisch taucht es dagegen auf als das 'sich-selbst-setzende' Ich der Fichteschen Rekonstruktion der Vernunft in der "Wissenschaftslehre": nicht eines, das als ein solches 'bestimmt' ist, sondern eines, das sich immer erst noch selbst-zu-bestimmen hat.
Wobei es schließlich findet, dass es vor allem Anfang von der Gesellschaft zum sich-selbst Bestimmen schon bestimmt war.
JE 11. 6. 18
Samstag, 11. Januar 2025
Was ist Tätigkeit?
Tätigsein heißt fortschreiten im Bestimmen des noch Unbestimmten, und sonst nichts. Aber es ist auch wirklich alles, was man sich nur darunter vorstellen kann.
3. 5. 17
Marx schrieb in den Pariser Manuskripten, der Idealismus habe die tätige Seite des Men-schen wohl mehr herausgearbeitet als der Materialismus, aber eine reale, materielle Produk-tion habe er nicht gekannt.
Das mag für die kleineren Geister gelten, die bei Fichte abgeschrieben haben, ohne seinen Namen zu nennen, aber eben für Fichte, den ersten der Reihe, nicht. Wohl ist es so, dass die noumenale Tätigkeit-überhaupt nicht als materielle bestimmt ist; weil sie eo ipso gar nicht bestimmt ist. Doch ist es ein Missverständnis, dass, wenn er nicht ausdrücklich die materi-elle Tätigkeit, dann nur die ideelle Tätigkeit gemeint haben kann; aus der kindlichen Vorstel-lung, dass die materielle Produktion die untere, primitivere Stufe der Tätigkeit sei und die ideelle Tätigkeit die höhere, feinere. Oder umgekehrt: das Denken die sachliche Vorausset-zung materieller Produktion sei - auf jeden Fall zwei Stufen, die aufeinander bauen und von denen eine eher da sein muss als die andere. Das setzt aber voraus eine vorgängige meta-physische Parteinahme, an die hier noch gar nicht zu denken ist.
Tätigkeit-überhaupt ist ein Begriff der Transzendentalphilosophie und als solcher ein Nou-menon wie das Ich und die Welt. Sie ist, wenn sie nicht als das eine bestimmt ist, nicht not-wendig als das andere bestimmt, sondern überhaupt nicht bestimmt, weil sie noch gar nicht als real gedacht ist.
14. 6. 19
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
Freitag, 10. Januar 2025
Konkurrenz ist die innere Tendenz des Kapitals.
In der Concurrenz erscheint diese innre Tendenz des Capitals als ein Zwang der ihm von fremdem Capital angethan wird und der es vorantreibt über die richtige Proportion mit be-ständigem Marche, marche! Die freie Concurrenz, wie Herr Wakefield in seinem Commen-tar zu Smith richtig herauswittert, ist noch nie entwickelt worden von den Oekonomen, so viel von ihr geschwazt wird und so sehr sie die Grundlage der ganzen bürgerlichen, auf dem Capital beruhenden Production.
Sie ist nur negativ verstanden worden: d. h. als Negation von Monopolen, Corporation, gesezlichen Regulationen etc. Als Negation der feudalen Production. Sie muß aber doch auch etwas für sich sein, da blos 0 leere Negation ist, Abstrahiren von einer Schranke, die z. B. in der Form von Monopol, natürlichen Monopolen etc sofort wieder aufersteht.
Begrifflich ist die Concurrenz nichts als die innre Natur des Capitals, seine wesentliche Be-stimmung, erscheinend und realisirt als Wechselwirkung der vielen Capitalien auf einander, die innre Tendenz als äusserliche Nothwendigkeit.) (Capital existirt und kann nur existiren als viele Capitalien und seine Selbstbestimmung erscheint daher als Wechselwirkung dersel-ben auf einander.)
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K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2 S. 325f. [MEW 42, S. 327]
Nota. - Staats kapitalismus kann allenfalls heißen, dass sich der Staat auf dem Markt selber als Kapitalist unter Kapitalisten betätigt - und sich dabei womöglich aller gesetzlichen Zwangsmittel bedient, um sich die Konkurrenten weit vom Halse zu halten. [vgl. heute China] Wenn aber der Staat als einziger Unternehmer auftritt, gibt es weder einen Markt noch Konkurrenz. Unter diesen Voraussetzungen ist Kapital nicht möglich.
JE 3. 11. 15
Donnerstag, 9. Januar 2025
Konkurrenz ist die wesentliche Bestimmung des Kapitals.
Mit Ausnahme seiner eignen Arbeiter, erscheint jedem Capitalisten gegenüber die Gesammt-masse aller andren Arbeiter nicht als Arbeiter, sondern als Consumenten; Besitzer von Tauschwerthen (Salair), Geld, das sie gegen seine Waare austauschen. Sie sind ebensoviel Centren der Circulation von denen der Akt des Austauschs ausgeht und der Tauschwerth des Capitals erhalten wird. Sie bilden einen proportionell sehr grossen Theil – obgleich not quite so great as is generally imagined, wenn man die eigentlich industriellen Arbeiter im Auge hält – der Consumenten.
Je grösser ihre Anzahl –
die Anzahl der industriellen Bevölkerung – und die
Masse Geld, worüber sie zu verfügen haben, desto grösser die
Austauschsphäre für das Capital. Wir haben gesehn, daß es die Tendenz
des Capitals
die Masse der industriellen Bevölkerung möglichst zu steigern. /
...
Eigentlich geht uns
hier das Verhältniß des einen Capitalisten zu den
Arbeitern der andren Capitalisten noch gar nichts [an]. Es zeigt nur die
Illusion jedes Capitalisten, ändert aber nichts am Verhältniß von
Capital
überhaupt zu Arbeit. Jeder Capitalist weiß von seinem Arbeiter, daß er
ihm
gegenüber nicht als Producent dem Consumenten [gegenüber] steht und
wünscht seinen Consum, i. e. seine Tauschfähigkeit, sein Salair
möglichst zu
beschränken. Er wünscht sich natürlich die Arbeiter der andren
Capitalisten
als möglichst grosse Consu-menten seiner Waare.
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K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2 , S. 330-33 [MEW 42, S. 332f. ]
Nota. – Grob
gesagt: Der Kapitalist wünscht, dass seine eignen Arbeiter möglichst
wenig und die Arbeiter der andern Kapitalisten möglichst viel verdienen.
Denn die Kapitalien konkurrieren. Anders hätte eine Arbeiterbewegung nicht entstehen können.
Konkurrenz ist keine zufällige, sondern die wesentliche Bestimmung des
Kapitals. Wieso muss das Kapital Mehrwert hervorbringen? Um es zu
akkumulieren. Warum muss es ak-kumulieren? Weil der Konkurrent
akkumuliert – und, indem er billiger produziert, sich vom gemeinsam
erwirtschafteten Mehrwert durch den Ausgleich der Profitrate auf dem
Markt einen Extraprofit aneignet, den er dem Konkurrenten entzieht, und
schließlich schneller akkumuliert als jener – und ihn womöglich am Ende auffrisst.
Der Kapitalist kann nicht wie ein Zunftbürger sagen: Klein, aber mein; ich begnüg' mich mit dem, was ich habe. Er muss konkurrieren.
JE, 19. 10. 15