Montag, 24. April 2023

Philosophie und Weisheitslehre.

Manfred Janzen-Habetz, pixelio.de                                     aus Philosophierungen
Aus einem online-Forumim Februar 2010:
 
... Die real existierenden Wissenschaften sind eben darum keine Philosophie, weil sie (ihrer Bestimmung nach: im Öffentlichen Raum ein Feld des Einverständnisses erzwingen zu können) positiv sein müssen. Sie müssen also in ihrer Praxis notwendig davon ausge-hen, dass ein Wissen da ist, das (öffentlich) gegeben (und nicht erst noch aufgegeben) ist: "Stand der Wissenschaft". Insofern verfährt jede reale Wissenschaft (vorläufig) 'dogma-tisch', wie Herr K. sagt. Dogmatistisch wäre sie, wenn sie vergäße, dass das gültige Wis-sen, von dem sie ausgehen muss, nur ein einstweiliges ist - und jederzeit von den Resulta-ten der wissenschaftlichen Praxis (und von nichts anderem) 'aufgehoben' werden kann.

Die Geschichte der Wissenschaften ist die Geschichte ihres Herausfallens aus der Philo-sophie (Galilei bis Newton): eine Scheidung, die zugleich zur Selbstbereinigung der Phi-losophie (Kant) geworden ist

Von der Philosophie habe ich, anders als Sie, keine Idee, sondern einen Begriff. Ich sage: Philosophie ist, sofern sie Wissenschaft sein kann (oder will), lediglich negativ und kri-tisch. Das Feld des Positiven hat sie den Realwissenschaften (zu) überlassen - seit Kant.

Sie leistet aber damit nicht das, wofür sie vor zweieinhalb tausend Jahren erfunden wor-den ist: den Sinn des Lebens entdecken. Sondern nur dies: immer und immer wieder neu darzulegen, dass der Sinn des Lebens (oder "der Welt" oder wie man das immer nennen will) aus keinerlei positivem Befund heraus zu lesen ist, sondern als Problem, als Aufgabe, als Frage der praktische Lebensführung anheimgegeben ist.

Letztere Formulierung wird der eine ohne andere mit "existenzialistisch" beschreiben wollen, und das wollte ich nicht einmal zurückweisen. Zurückweisen würde ich allerdings, wenn er das nutzt für den Folgesatz: "Das ist doch aber auch Philosophie!"

In einem strengen, und das heißt: wissenschaftlichen Sinn ist das keine Philosophie. 'Wis-senschaftlich' bedeutet nicht: Gegenstand + Methode. Die sind beide sekundär, abgeleitet nämlich aus der
wesentlichen Bestimmung: Wissenschaftlich ist das Verfahren, das nur die Bestimmungen gelten lässt, die auf die Tragfähigkeit ihrer Gründe erfolgreich geprüft wurden. Darin hat Plato die Anstrengungen seiner griechischen Vorgänger zusammenge-fasst (êpistêmê versus dóxa).

Überprüfen der Gründe, das ist Kritik, und die radikale, weil unendliche Kritik ist Öffent-lichkeit. (Das ist ganz wurscht, ob die Wissenschaftler selber diesen 'kritischen' Begriff von Wissenschaft haben; denn kritisieren werden sie den lieben Kollegen so wie so.)

Der springende Punkt: Eine wie immer geartete Aussage über den Sinn der Welt, des Le-bens, der... wird nie zu begründen sein, denn dann müsste sie irgendwann auf eine letz-ten Grund stoßen, der seinerseits nicht mehr begründet ist; der aber aus eben demselben 'Grund' nicht gelten kann - weil er eben nicht... begründet ist.

Langer Rede kurzer 'Sinn': Der
pp. Sinn der Welt kann nicht (wissenschaftlich) bewiesen, sondern allenfalls (sofern man ihn will!!) behauptet werden. Das geeignete Medium seiner Darstellung ist nicht der (Begriffe folgernd miteinander verknüpfende) Diskurs, sondern die bildliche Anschauung: ist nicht Logik, sondern Ästhetik. (Lässt sich noch viel weiter ausführen...)

Ob dieses Genre, zu dem ich auch einiges beizutragen hätte, dann "Lebensphilosophie", "Philosophie der Tat" oder ähnlich genannt werden darf, ist einen Streit nicht wert. Ent-scheidend ist, welchem Zweck die Philosophie, 'sofern sie wissenschaftlich ist', nämlich die kritische, eigentlich dient; d. h. welchen 'Sinn' sie hat. Es ist, wie immer die Antwor-ten jeweils ausfallen, Meta-Philosophie - ein Denken, Reden, Meinen über die Philoso-phie.

Als Motiv liegt sie der Philosophie 'zu Grunde'. Ausführen lässt sie sich allerdings erst, wenn die Philosophie ihre wissenschaftliche, weil kritische Arbeit vollendet hat. Der An-fang muss sich als Ende behaupten.
17. 12. 13


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