Montag, 8. Mai 2023

Das Individuum findet sich als eines aus einer Reihe vernünftiger Wesen.

 joeanni44                                                                         zu Philosophierungen

Wir müssen hier das bestimmbare und bestimmte [Ich] gegen einander halten: Entgegen-gesetzt sind sie darin: das bestimmte bin ich, das bestimmbare bin ich nicht: Nichtich; gleich sind sie darin, dass beide gleich geistig sind (lediglich denkbar, Noumen).
Wie wird nun das bestimmte Ich, in welchem Sinne bin ich Ich im Gegensatze gegen andere Wesen meinesgleichen?

Ich hat uns bisher bedeutet in sich zurückgehende Tätigkeit, aber damit können wir jetzt nicht weiter auskommen: Dieses charakterisiert nur vernünftige Wesen von anderen ver-nunftlosen Objekten, auch wird sich in Zukunft zeigen, dass in sich zurückgehende Tätig-keit auch den organischen Naturprodukten zukommt. Wir müssen daher noch dieses hin-zusetzen: dass mit der in sich zurückgehenden Tätigkeit der Gedanke derselben verbun-den sei. /  

Es entsteht aus der Bestimmtheit durch mich selbst ein Gefühl, und aus diesem der Ge-danke meiner selbst. Also finde ich mich als Objekt und bin mir selbst Objekt; aber ich kann mich unter keiner anderen Bedingung finden, als dass ich mich finde als Individuum unter mehreren geistigen Wesen.

Es ist ein Hauptsatz der kritischen Idealismus, dass von einem Intelligiblen ausgegangen wird. Dies hat uns getrieben bis zu einem reinen Wollen, das empirische langt nicht zu. Jede meiner empirischen Bestimmungen bezieht sich auf meine ursprüngliche Bestimmt-heit und ist nur unter dieser Voraussetzung gedenkbar. Dieses Vermögen könnte ich mir nicht zuschreiben, wenn ich es nicht fände; aber ich kann es nur finden als die Bestimmt-heit und das reine Wollen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,  S. 149f.


Nota I. - Das ist ein Kerngedanke der Wissenschaftslehre: dass ein vernünftiges Indivi-duum nur möglich ist als Teil einer Reihe vernünftiger Wesen (Teil einer 'Masse' von Be-stimmbarem). Ob er ihn überzeugend einführt, darauf kommt vieles an. Der 'Hauptsatz', dass von einem Intelligiblen ausgegangen werden und die Reihe der vernünftigen Wesen also der Bestimmung des Individuums vorausgesetzt werden muss, ist zu dünn. Er müsste uns schon zeigen, das auch nicht ausnahmsweise mal ein Empirisches vor dem Intelligi-blen sein kann.  - Das ist so ein Fall, wo er das, was er uns am Gang des lebendigen Vor-stellens vorführen wollte, rückwirkend aus Begriffen konstruiert
31. 12. 16

Nota II. - Anders konnte aber F. noch nicht verfahren. Er steckte in einer Zwickmühle; einerseits soll die Vernunft von dem durch Freiheit sich selbstbestimmenden Menschen erzeugt werden, andererseits muss sie aber den Individuen vorausgesetzt werden. Zwi-schen beiden Bestimmungen schwankte F. von Anfang an hin und her. Er hat sich schließlich zu einer dogmatischen Auffassung entschieden und die Transzendentalphi-losophie verlassen. Beide Gesichtspunkte zu vermitteln erlaubte erst die materialistische Geschichtsauffassung, doch für die waren die bürgerlichen Verhältnisse noch nicht weit genug entwickelt.
 9. 10. 22 

Nota III, Terminologisches:  Die Reihe vernünftiger Wesen ist ein schlechthin Mannig-faltiges und unendlich Teilbares. Die vernünftig gewordene Person ist dem gegenüber das schlechthin Un teilbare; eben nicht als empirischer Zeitgenosse, sondern spezifisch als vernünftiges Wesen.
JE,




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Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

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